Ein armer Dorfbewohner kam einmal an Purim nach Kosnitz, um die Vorlesung des Buches Esther (Megila) in der Synagoge zu hören. Die Rolle wurde von Reb Jisrael gelesen, dem Magid von Kosnitz. Der einfache Dorfbewohner hörte der Geschichte von der Megila aufmerksam zu. Nach der Lesung ging der Magid zu dem Dorfbewohner und fragte ihn: „Kommst du nicht aus dem Dorf, das zu meinem Gebiet gehört? Warum hast du mir kein Mischloach Manot mitgebracht?

Der Dorfbewohner wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte nicht einmal genug Brot für seine sechs Kinder. Woher hätte er das Geld nehmen sollen, um Mischloach Manot für den Magid zu kaufen? Aber Reb Jisrael war gleich wieder besänftigt und lud den Mann zum Purimfest ein.

Nachdem der Dorfbewohner im Haus des Magids gegessen und getrunken hatte und weil er sich über die Ehre freute, eingeladen worden zu sein, wurde er mutig. Er ging zu einem reichen Weinhändler, klopfte an die Tür und sagte: „Fröhliches Purim! Wären Sie so nett, mir eine Flasche Wein auf Kredit zu geben? Ich werde sie bestimmt bezahlen, und wenn nicht – heute ist doch Purim, oder?“

Der Händler war einverstanden, und der Dorfbewohner ging in ein Obstgeschäft, wo er um Äpfel bat. Mit Wein und Äpfeln in der Hand kehrte er zum Magid zurück. „Rebbe, ich habe Ihnen Mischloach Manot gebracht!“, sagte er. „Gut gemacht“, sagte der Magid. „Und denk daran, es an jedem Purim zu bringen!“

Auf dem Weg nach Hause überfiel den Mann jäh die Realität. „Meine Familie hungert“, sagte er zu sich selbst. „Dagegen muss ich etwas tun!“ Er ging zum Wodkahändler und wandte seine erprobte Methode an. Dann benutzte er sie, um einen Laib Brot und ein paar fette Heringe zu ergattern. Mit diesen Köstlichkeiten unterm Arm rannte er den ganzen Weg nach Hause. „Heute ist Purim!“, rief er, als er sein Haus betrat. Er breitete die königlichen Speisen auf dem wackeligen Tisch aus und sagte: „Esst, trinkt und seid fröhlich, denn heute ist Purim!“ Die Familie aß nach Herzenslust, dann sprangen alle auf und tanzten in der Küche herum. Erst ein lautes Klopfen an der Tür dämpfte ihre Begeisterung.

„Nicht öffnen“, flüsterte der Mann seiner Frau zu. „Es ist wahrscheinlich ein Bauer, der uns die Freude verderben will.“ Aber es klopfte weiter. „Keine Sorge“, meinte die Frau. „Ich glaube, das ist nur der alte Iwan, der uns Kartoffeln verkaufen möchte.“ Sie öffnete und erschrak. Der alte Mann blutete überall. Sie führten ihn ins Haus und wuschen und verbanden behutsam seine Wunden. Dann boten sie ihm Brot und Wodka an.

„Ihr habt mir das Leben gerettet“, murmelte er. Dann erzählte er ihnen, sein einziger Sohn habe ihn geschlagen und aus seinem eigenen Haus geworfen. Wenn sie ihm nicht geholfen hätten, wäre er gewiss draußen verblutet. Nachdem er sich eine Weile ausgeruht hatte, sagte er: „Da mein einziger Sohn ein grausamer Mörder ist und ihr Mitleid mit mir gehabt habt, werde ich euch etwas zeigen: Das Geld, das ich gespart habe und vor meinem Tod meinem Sohn geben wollte. Jetzt gehört es euch, als Geschenk von mir.“

Der Dorfbewohner folgte dem humpelnden Bauern in den Wald. Der zeigte ihm einen Baum, unter dem sich das Geld befand. Einige Tage später starb der Bauer. Der Dorfbewohner ging zu dem Baum, grub die Erde auf – und war plötzlich ein reicher Mann. Von da an besuchte er den Magid an jedem Purim und gab ihm Mischloach Manot mit offenen Händen und frohem Herzen.