Mosche, der Fischer, schaute ins Wasser. „Wo sind die Fische? Ich brauche Fische für unser Purimfest.“ Erneut warf er sein Netz und holte es ein – vergeblich. Als es dämmerte, zog Mosche sein Netz zum letzten Mal aus dem Wasser. Diesmal sah er etwas darin glitzern: einen wunderschönen Fisch. Da kam ihm eine Idee. Die Hälfte seines Fanges stand nämlich dem Grundherrn zu; also musste er diesen Fisch hergeben. Das war eine Zwickmühle. Er konnte nicht auf den Fisch verzichten, denn er wollte unbedingt Purim feiern. Aber es war ebenso unmöglich, den Grundherrn zu hintergehen. Schließlich beschloss er, diesen Fisch zu behalten und den gesamten Fang des morgigen Tages dem Grundherrn zu überlassen.

Zufrieden ging er mit dem silbernen Fisch nach Hause. Aber er war nicht allein. Peter, der Gärtner, stand hinter einer Hecke und dachte: „Dieser Mosche, den der Grundherr für ehrlich hält, macht sich mit dem Fisch des Grundherrn aus dem Staub. Diese Juden glauben immer, sie könnten andere überlisten – aber wer zuletzt lacht, lacht am besten!“ Peter schnitt die Hecken vor der Villa, als der Grundherr seinen Nachmittagsbummel machte. Peter tat so, als spreche er mit sich selbst; aber er achtete darauf, dass sein Herr ihn hörte: „Unerhört – Mosche behält den riesigen Fisch für sich und gibt seinem Herrn nichts!“

„Was sagst du da?“, fragte der Grundherr. „Mosche hat mir heute keinen Fisch gebracht; aber ich dachte, er hat nichts gefangen.“

„Ich habe gesehen, wie er vor etwa einer Stunde einen großen Fisch nach Hause getragen hat“, erwiderte Peter und verbarg seine Häme.

„Wenn das stimmt, werde ich es bald wissen“, sagte der Grundherr wütend und ließ Mosche sofort von einem Diener holen. „Was ist mit meinem Fisch geschehen, Mosche? Belohnst du so mein Vertrauen?“

„Herr, ich kann es Euch erklären“, stammelte Mosche verängstigt. „Heute ist unser Fest Purim, und ich brauche einen Fisch für unsere Mahlzeit. Ich wollte Euch nicht bestehlen, sondern Euch morgen meinen gesamten Fang überlassen.“

„Eure Feiertage kümmern mich nicht“, schrie der Grundherr zornig. „Es ist mein Fisch!“

„Bitte lasst mich erklären. Jeder Monat steht unter einem Sternzeichen. Dieser Monat steht im Fisch. Er erinnert uns daran, dass G-tt so wie ein Fisch niemals die Augen schließt – er wacht immer über sein Volk und schützt es vor Leid. Vor langer Zeit an Purim rettete er uns vor dem bösen Haman. Bitte vergebt mir dieses eine Mal und schenkt mir den Fisch. Ich werde es Euch vergelten.“

Der Grundherr ließ sich überreden. „Du darfst den Fisch behalten. Aber wenn das noch einmal vorkommt, lasse ich dich hängen!“ Er zeigte auf eine große Eiche. Einige Tage später trafen sich alle Grundherren des Distrikts. Jeder hatte eine Klage. Der eine hatte ein Vermögen im Spiel verloren und war jetzt verschuldet. Ein anderer konnte den Umbau seiner Villa nicht bezahlen. Einem Dritten fehlte das Geld für die Vergoldung seiner Kutsche. Einer sagte: „Wer ist daran schuld? Natürlich die Juden. Sie verwalten unsere Güter, Gasthöfe und Finanzen. Sie ruinieren uns!“ Ein anderer meinte: „Meine Juden sind genauso. Sie sind faul und arbeiten nie.“ Dann meldete sich unser Grundherr: „Mein Mosche behielt einen ganzen Fang für sich, weil er irgendeinen Feiertag begehen musste.“ Ein Adliger schlug vor: „Wir sollten diese Schmarotzer ein für allemal vertreiben. Alle stimmten ihm zu und erwarteten das Ende ihrer Probleme.

Plötzlich wurde das große Tor geöffnet. Dort stand unerwartet der Königssohn in seinem glänzenden saphirblauen Gewand.

„Hoheit“, fragte ein Adliger, „wollt Ihr unser Dekret gegen die Juden unterzeichnen?“

Der Prinz las das Dokument. „Soll das ein Witz sein?“, fragte er. „Für diese angeblichen Verbrechen wollt ihr die Juden verbannen? Ihr seid verrückt. Auf wen wollt ihr euch denn verlassen? Auf die Polen, die euch verabscheuen, oder auf eure Diener, die euch bestehlen? Mit diesem Dekret schadet ihr euch selbst, denn ihr werdet keine Diener finden, die so treu und tüchtig sind wie die Juden!“ Ein Murmeln ging durch den Saal. „Ihr erlaubt doch?“, sagte der Prinz und riss das Papier in Stücke. Dann verließ er grußlos den Saal und ließ die verlegenen Adligen zurück, die einander verdutzt anschauten.

Verwirrt kehrte der Grundherr nach Hause zurück. Wie konnte der Prinz so schnell auftauchen und verschwinden? War er vom Himmel gekommen? Als er zu Hause ankam, ließ er Mosche rufen. „Ich habe heute euren G-tt gesehen. Er kam zu unserem Treffen, um euch zu beschützen.“

„Was meint Ihr damit, Herr?“, fragte Mosche. Der Grundherr erzählte ihm von dem Dekret und der seltsamen Erscheinung. „O nein, Herr“, sagte Mosche. „G-tt kann man nicht sehen.“ Dann fügte er zögernd hinzu: „Vielleicht kam Mordechai, um uns zu retten, so wie er es vor langer Zeit an Purim tat.“

„Wie dem auch sei, es scheint, euer Fest hat euch Glück gebracht – und dein Purim-Fisch!“