Heute genießt Maimonides (auch als Rambam bekannt) größtes Ansehen. Einige seiner Zeitgenossen zweifelten jedoch an seiner Rechtgläubigkeit.
Die großen deutschen Rabbiner schickten Rabbi Meir nach Spanien, um herauszufinden, wie religiös dieser umstrittene Rabbiner war.
Als Rabbi Meir in Cordoba ankam, begab er sich sofort zum Rambam. Ein Diener ließ ihn ein und versprach, sein Meister werde sofort kommen. Bald trat Maimonides ein, begrüßte den Gast und lud ihn zum Essen ein. Doch als Rabbi Meir ins Esszimmer ging und seinen Teller sah, fiel er fast in Ohnmacht.
Eine der Speisen sah aus wie eine menschliche Hand! War der berühmte Rambam etwa Kannibale? Mit mulmigem Gefühl lehnte Rabbi Meir höflich jede Speise mit der Begründung ab, es sei nicht hungrig.
Der Rambam meinte, ein Glas kühlen Weines werde seinen Appetit anregen. „Patrus“, befahl er seinem Diener, „geh bitte in den Keller und bring einen Krug guten Wein für unseren Gast.“
Wieder war Rabbi Meir verwirrt. Patrus war offensichtlich ein nichtjüdischer Name, und doch schickte ihn der Rambam in den Keller. Dadurch missachtete er das Verbot, Wein zu trinken, den ein Nichtjude berührt hatte. Anscheinend waren alle Vorwürfe, Maimonides sei ein Häretiker, berechtigt.
Rabbi Meir lehnte auch den Wein ab und sagte, er sei nach der langen Reise erschöpft. Als der Rambam ihm Unterkunft für die Nacht anbot, akzeptierte er gerne und zog sich in sein Zimmer zurück, um über seine Beobachtungen nachzudenken. Vorher hörte er noch, wie Maimonides den Diener anwies, für das morgige Essen ein Kalb zu schlachten. Das war zu viel!
War der große Rambam so weit vom Judentum abgefallen, dass er Fleisch von einem Tier aß, das nicht nach den Geboten der heiligen Tora geschlachtet worden war? Trotz seiner Müdigkeit fand Rabbi Meir in dieser Nacht kaum Schlaf. Er sah keine andere Möglichkeit, als den Rambam zur Rede zu stellen. Er wollte ihm sagen, wer er war und warum er hier war; dann wollte er eine Erklärung für das dreiste und offenkundig häretische Verhalten des Rambam verlangen.
Kaum war er eingeschlafen, als schon der Morgen dämmerte und ein Klopfen an der Tür ihn weckte. Dort stand der Diener des Rambam und bat Rabbi Meir, zu seinem Meister zu kommen. Nervös ging Rabbi Meir in das Zimmer, in dem der Rambam mit ausgestreckter Hand und breitem Lächeln stand.
„Lieber Freund und Kollege, ich weiß genau, wer du bist und warum du gekommen bist. Ich weiß, dass die großen deutschen Rabbiner dich geschickt haben, um zu prüfen, ob ich die Gebote der Tora einhalte. Ich weiß auch, warum du gestern nicht essen und trinken wolltest. Du warst so unruhig, dass du die ganze Nacht auf und ab gegangen bist und dir Sorgen darüber machtest, dass ich Menschenfleisch esse, verbotenen Wein trinke und Fleisch von Tieren esse, die nicht ordnungsgemäß geschlachtet wurden. Beruhige dich! Ich werde dir alle diese scheinbaren Sünden erklären und deine Zweifel ausräumen. Dann weißt du, dass alle Verdächtigungen unwahr sind und dass es gefährlich ist, einen Menschen allein nach dem äußeren Anschein zu verdächtigen.
Das Essen, das du für eine Menschenhand hieltest, war ein Gemüse, das in diesem Teil Spaniens wächst, aber nicht in Deutschland. Es ist sehr nahrhaft, und da ich Arzt bin, achte ich auf gute Ernährung.“
„Natürlich“, dachte Rabbi Meir. „Wie konnte ich ihn verdächtigen, Kannibale zu sein? Aber hat er nicht verbotenen Wein und nicht-koscheres Fleisch gegessen?“
Der Rambam fuhr fort: „Mein Diener Patrus ist gläubiger Jude. Wie du weißt, hieß der Vater eines der Talmudweisen ebenfalls Patrus. Rabbi Jose ben Patrus wird in Bereschit Rabba erwähnt.“
Erneut bedauerte Rabbi Meir seine Zweifel. Jetzt war er sicher, dass der Rambam auch seine letzte Frage zufriedenstellend beantworten würde.
„Und wie du weißt, gilt ein Kalb, das aus dem Leib einer Kuh geborgen wird, die gemäß den Geboten der Tora geschlachtet wurde, ebenfalls als ordnungsgemäß geschlachtet. Dieses Kalb wollte ich dir zu Ehren auftischen.“
Als Rabbi Meir das hörte, war er so gerührt, dass er in Tränen ausbrach. Er dachte an all die Verleumdungen gegen diesen großen Weisen, und das konnte er nicht ertragen. Er bat für sich und für jene, die ihn geschickt hatten, um Verzeihung. Was für einen schrecklichen Fehler hatten sie begangen! Sie hatten den Gelehrten aus der Ferne beurteilt. Der Rambam nahm die Entschuldigung an, und die beiden trennten sich als Freunde.
In den vielen Städten, die Rabbi Meir auf der Heimreise besuchte, erklärte er: „Von Mosche, unserem Lehrer, bis zu Mosche, dem Sohn von Maimon, gab es keinen solchen Mosche.“
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