Die Gelehrten des Talmud beschlossen, dass vor der Hochzeit eine Verlobung stattfindet. Ohne Verlobung zu heiraten, verbilligt die Institution der Ehe, da es den Eindruck verleiht, dass zu Heiraten eine impulsartige Entscheidung wäre, welche keine Gedanken und Vorbereitungen voraussetzen würde.
Obwohl die Verlobung keine rechtliche Bedeutung hat, ist das Machen der “Tna'im” – Vereinbarungen, die die gegenseitige Bindung offiziell macht - für den heiratswilligen Mann sowie die heiratswillige Frau Brauch. Beide Parteien verpflichten sich dazu, den jeweils anderen zum vereinbarten Zeitpunkt zu heiraten1 und sich an den Hochzeitsausgaben sowie den Anfangskosten des Haushalts zu beteiligen. Einzelheiten, wie die Mitgift des Bräutigams sind ebenso enthalten.
Der Vertrag
Die Parteien verpflichten sich dazu, den jeweils anderen zum vereinbarten Zeitpunkt zu heiraten und sich an den Hochzeitsausgaben zu beteiligenDie Tna'im werden in einem Vertrag geschrieben, der Schtar Tna'im genannt wird. Dieses Dokument ist ein standardisiertes Formular, bei denen die Namen der Braut, des Bräutigams, Garanten und Zeugen in weiße Felder eingetragen werden.
Der traditionelle Text des Tna'im-Dokuments wird dem Paar im Namen der Eltern, die das Paar repräsentieren und die dazugehörige finanzielle Verantwortung auf sich nehmen, verlesen. Sollte einer der Väter nicht anwesend sein, kann ein Verwandter oder Freund ebenfalls Braut oder Bräutigam repräsentieren.
Weil das Dokument finanzielle Vereinbarungen enthält, bedarf es Garanten. Ein Garant repräsentiert die Seite des Bräutigams, einer die der Braut.
Der Tna'im-Vertrag wird vor zwei koscheren Zeugen geschlossen, die diesen ebenfalls unterzeichnen.2
Der "Kinjan"
Damit der Vertrag sowie deren Vereinbarungen rechtlich wirksam werden, muss ein Kinjan – eine rechtliche Transaktion – stattfinden.
Laut jüdischem Gesetz gibt es verschiedene Arten von Kinjanim (Pluralform von Kinjan). Das Absichern der Verpflichtungen wird mit einem "Kinjan Sudar", einer "Taschentuch - Transaktion" besiegelt. Ein Kinjan Sudar ist ein symbolischer Tausch, bei der eine Partei der anderen einen Gegenstand wie z.B. ein Taschentuch für das betreffliche Objekt der Transaktion überreicht – in diesem Fall ein immaterieller, eine Verpflichtung. Sobald das Kleidungsstück von einer Partei aufgehoben und an sich genommen wird, wird gleichzeitig der anderen Partei im Gegenzug die Verpflichtung gewährt. In einer Angelegenheit wie eine Hochzeit, in der beide Seiten Verpflichtungen eingehen, machen beide Kinjan.
Das Tuch oder jedes andere Kleidungsstück, das für den Kinjan verwendet wird, darf nicht kleiner sein als 6,1 cm² und muss auch demjenigen gehören, der es überreicht.3 Für einen Kinjan wird allgemein eine Kippa benutzt.
Das Timing
Der Tna'im-Vertrag wird auf der Verlobungsfeier vollendet, bezeugt und unterschrieben. Diese Party wird oft "Tna'im" oder "Vort", was auf Jiddisch "Wort" - in Bezug auf das gegenseitige abgegebene „Wort“ des Brautpaares - bedeutet, genannt. Einige sephardische Gemeinden nennen sie die Kinjan-Zeremonie, ein Hinweis auf den dort stattfindenden Kinjan.
Ein Rabbi muss bei dieser Feier zugegen sein, um das Schreiben des Vertrags sowie die Ausführung des Kinjan zu überwachen.
Es ist Brauch, dass der Bräutigam während der Verlobungsfeier einige Gedanken der Tora an die Anwesenden richtet und ihnen so des Status einer Seudat Mizwa gewährt. In chassidischen Kreisen rezitiert der Bräutigam einen chassidischen Diskurs seiner Wahl.
Alternative Bräuche
Ein Rabbi muss bei dieser Feier zugegen sein, um das Schreiben des Vertrags zu überwachenIn einigen Gemeinden wird der Tna'im-Vertrag während der Verlobungsfeier nicht vollendet4, stattdessen wird vom Brautpaar nur ein symbolischer Kinjan abgehalten. Der Tna'im-Vertrag wird nur am Tage der Hochzeit unterschrieben5, normalerweise beim Empfang vor der Chuppa.6
Auch dieser Kinjan wird unter den Augen zweier Zeugen abgehalten. Einer der Zeugen repräsentiert den Bräutigam mit dem Tuch. Der Bräutigam nimmt dieses und hebt es mindestens 25,4 cm hoch und durch die Annahme verpflichtet er sich zur Heirat. Das Kleidungsstück wird dann dem Zeugen wiedergegeben, der es der Braut überreicht. Die Braut nimmt dieses ebanfalls an, hebt es hoch und verpflichtet sich hierdurch auch ihrerseits zur Ehe.
Wenn das Tna'im-Dokument am Hochzeitstag geschrieben wird, so geschieht dies unter der Aufsicht des die Hochzeit leitenden Rabbiners.
Die Prozedur
Während der Tna'im-Zeremonie – gleich ob diese während der Verlobungsfeier oder dem vorehelichen Empfang stattfindet – wird das Dokument7 unter Aufsicht zweier Zeugen, die dieses zusammen mit den beiden Garanten unterschreiben – ausgefüllt. Anschließend wird es laut verlesen. In vielen Gemeinden fällt dem Rabbi die Ehre zuteil, es zu verlesen.
Dann wird der Kinjan vollzogen – ebenfalls im Beisein der beiden Zeugen. Dieser Kinjan ist wie oben beschrieben, außer dass nun neben Braut8 und Bräutigam auch die Eltern und die Garanten teilnehmen – alle verpflichten sich zu den jeweiligen finanziellen Verpflichtungen.
Traditionell wird nach dem Kinjan ein gut eingewickelter Porzellanteller zerbrochen.9 Der unumkehrbare Akt des Zerbrechens des Tellers symbolisiert den Abschluss der soeben verlesenen Tna'im bzw. Verpflichtungen. Dieser Akt dient auch dazu, die Stimmung ein wenig zu dämpfen, im Einklang mit der Vorschrift des Verfassers der Psalmen, dass wir auch in unseren freudigsten Momenten der Zerstörung Jerusalems gedenken sollen. Es ist Brauch, dass die Mütter des Paares den Teller zerbrechen, indem sie zu Boden oder gegen eine harte Oberfläche schleudern.
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