Paraschat Nizawim wird jedes Jahr kurz vor Rosch Haschana – (Beginn des neuen Jahres) gelesen. Der Schelah1 schreibt, dass zwischen allen Parascha-Vorlesungen und den Feiertagen, mit welchen sie zusammen fallen, eine Verbindung besteht.

Dies ist gerade im Zusammenhang mit Paraschat Nizawim sehr deutlich erkennbar, spricht diese doch vom Thema Tschuwa (Rückkehr zu G-tt), ein Thema, welches in den Tagen zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur besonders aktuell ist. Wir werden versuchen, von der Wortwahl und den Verbindungen in der Parascha eine tiefere Einsicht in die Natur der Tschuwa zu gewinnen.

Es ist nicht selten, dass der Begriff „Tschuwa“ mit „Reue“ und „ein neues Blatt im Leben aufschlagen“ gleichgesetzt wird. Die wortwörtliche Übersetzung des Wortes jedoch – „Rückkehr“ impliziert, dass die Tschuwa den Menschen zu seinem Ausgangspunkt zurückbringt.

Dieser Gedanke kann in den Versen von Nizawim sehr genau verfolgt werden. Die Parascha spricht von der Zukunft des jüdischen Volkes. Es wird vorausgesagt, dass das Volk seinem G-tt nicht ewig treu bleiben werde und dass es als Folge von seinem Land vertrieben würde. Zwischen fremden Völkern werde es so sehr leiden, dass es sich auf seine ursprüngliche Beziehung mit G-tt besinnen und zu ihm zurückkehren werde. Dann werde G-tt das Volk in sein Land zurückbringen.

Für das Wort „Besinnen“ verwendet die Tora den Ausdruck. „Wehaschewota el Lewawecha“ – „Und die wirst es Deinem Herzen zurückbringen“. Mit dem „Herz“ wird das zu Taten veranlassende Gefühl, welches sich vom neutralen Wissen im Kopf schon weiter entwickelt hat, gemeint. Interessant ist, dass schon hier dieselbe Wortwurzel (Wehaschewota - Schaw) verwendet wird, wie im späteren „Weschawta“ – „Und Du wirst zurückkehren“. Das Herzensgefühl war schon da, und es muss nur von neuem erweckt und zum Herzen „zurückgebracht“ werden.

Nachdem der Mensch es seinem Herzen „zurückgebracht“ hat, kehrt er selbst zu G-tt zurück („Weschawta“ – „Und Du wirst zurückkehren“). Der Mensch gehört zu G-tt, in ihm lebt ein g-ttlicher Funke (Chelek Eloka Mimaal) und er muss nur zurückkehren.

Dann kehrt G-tt selbst („Weschaw Haschem Elokecha – siehe Raschis Kommentar zum Vers) mit dem Menschen in sein Land zurück. Solange der Mensch nicht dort ist, wo er hingehört, befindet sich auch G-tt sozusagen nicht in seinem Ort. G-tt ist mit dem Menschen zusammen im Galut (Exil) und des Menschen Tschuwa (Rückkehr im geistigen Sinn) ist auch die Rückkehr G-ttes.

Die Parascha verspricht, dass das jüdische Volk nie gänzlich von G-tt verlassen werde, sondern nur temporär und äusserlich. Denn G-tt ist ja mit dem Volk zusammen im Galut. Diese Idee ist die Basis für die Tschuwa. Tschuwa ist nichts weiteres, als die Enthüllung einer tieferen Dimension der Seele, in welcher die menschliche Beziehung mit G-tt intakt ist: Tora und Mizwot ermöglichen es der Seele, auch im irdischen Leben mit G-tt verbunden zu bleiben. Wenn diese Verbindung durch Sünden getrübt wird, muss die tiefere Dimension der Tschuwa hervorgerufen werden.

Tschuwa und Geula, die zwei zentralen Themen unsere Parascha sind auch im Judentum überhaupt sehr zentrale Themen. Sie beide verbindet die Idee, dass der jüdische Geist unsterblich ist, deshalb die Möglichkeit der Rückkehr (kein neuer Beginn, sondern Besinnung auf das innerlich Vorhandene), deshalb das Versprechen der Erlösung.

Diese Unverwüstlichkeit wird auch schon im Namen der Sidra angedeutet: „Atem Nizawim Hajom“ – Ihr besteht, bodenständig und unverwüstlich heute, wie eine Säule und ein Pfeiler.

Es ist interessant zu bemerken, dass alle drei Wurzelformen des Wort Tschuwa, welche in unsere Parascha verwendet werden: „Wehaschewota, Weschawta, und Weschaw“ eigentlich Vergangenheitsformen sind, welche nur durch den Buchstaben „Waw“ – „Und“ in die Zukunftsform verwandelt werden. Dies könnte symbolisieren, dass (wie unsere Weisen im Midrasch sagen) die Tschuwa schon vor der Welterschaffung existierte, also in der Vergangenheit. Dies könnte so interpretiert werden: Nach dem ganzen Ablauf der menschlichen Geschichte und der dadurch bewirkten und erfolgten Rückkehr des jüdischen Volkes zu seinem G-tt wird klar werden, dass all dies nur eine Rückkehren in die entfernteste Vergangenheit, in die Ursprünglichkeit der menschlichen Seele als sie von G-tt unzertrennlich war, ist.