In unserer Parascha Reeh wird dem Menschen der Fleischgenuss erlaubt. Das Tier von welchem dieses stammt, muss jedoch zwei Kriterien erfüllen um als Koscher (geeignet, erlaubt) zu gelten. Erstens muss es gespaltene Klauen haben und Zweitens muss das Tier Wiederkäuer sein. Was ist die Symbolik dieser zwei Kriterien und warum erlaubt die Tora überhaupt, Fleisch zu geniessen (was gibt dem Menschen das Recht, für den eigenen Genuss ein anderes Lebewesen zu töten)?
Die Welt enthält vier verschiedene Arten, von denen aber nur bei dreien Zeichen von Leben zu erkennen sind:
- nicht lebendige Arten wie Mineralien u.s.w.
- die Flora
- die Fauna
- der Mensch.
Dabei ist es bemerkenswert, dass die niedrigeren Formen des Lebens, die höheren Formen unterstützen. So wächst und lebt die Pflanze von der Erde (und von anderen Pflanzen), das Tier von den Pflanzen (und manche Tiere ernähren sich auch direkt von der Erde) und der Mensch vom Tier und von den Pflanzen.
Nach jüdischem Glauben strebt jede Lebensform stets einer höher Dimension zu, und kann erst durch die Aufnahme in diese höhere Dimension ihren eigentlichen Daseinszweck erreichen. So ist es der Daseinszweck der Erde, die Pflanze gedeihen zu lassen und dadurch Teil der Pflanzenwelt zu werden. Das Tier erhebt die Pflanze, indem es sie in sich aufnimmt, zum Niveau des Tieres und der Mensch bringt das Tier auf eine höhere, menschliche Stufe.
Im Menschen selbst befinden sich alle vier Dimensionen der äusseren Welt: Gewisse Teile in ihm gleichen dem nicht lebendigen, andere der wachsenden Pflanze, wiederum andere dem Tier (er isst, trinkt, schläft und pflanzt sich fort) und es sind nur seine höchsten Fakultäten welche ihm den Namen Mensch verleihen. Wenn der Mensch seine menschlichen Qualitäten in sich die Oberhand überlässt (und alle seine anderen Eigenschaften durch diese gesteuert werden), dann darf sich die Pflanze und das Tier glücklich schätzen, mit ein Teil seines Daseins zu werden.
Doch der Mensch hat freie Wahl und diese erlaubt es ihm auch, wie ein Tier zu handeln. Wenn der Mensch nun diese unwürdige Wahl trifft, und trotzdem Fleisch einnimmt, dann hat das Tier (von welchem diese Fleisch stammt) kein höheres Dasein erlangt, denn es wurde von einem anderen Tier verzehrt.
Genau wie alle anderen Dimensionen dieser Welt muss aber auch der Mensch eine höhere Stufe erlangen und in einer höheren Dimension aufgehen, um seinen Daseinszweck zu erlangen: Das Wort Adam wird manchmal dahingehend gedeutet, dass es des Menschen Zweck ist, sich den höheren geistigen Sphären zu vergleichen und diese Stufe zu erlangen.
Damit es dem Menschen gelingen kann, die niedrigeren Daseinsstufen dieser Welt zu erheben und nicht selbst zum Tier zu verkümmern, muss er sich ständig prüfen.
Die erste Prüfung soll untersuchen, ob er sich tatsächlich einer höheren Autorität beugt, oder ob er nur seine eigenen egoistischen Ziele verfolgt. Von Natur aus neigen Menschen meistens dazu, entweder intro- oder extrovertiert zu sein. Manche geniessen den Umgang mit Menschen und Andere wiederum bevorzugen die Einsamkeit und Andacht und das „In-Sich–Hinein schauen“.
Die Tora verlangt beides vom Menschen: Er soll sich um Andere kümmern, dabei jedoch seine eigene geistige Vervollständigung nicht vernachlässigen. Wenn sich ein Mensch nun nur einer dieser beiden Aufgaben widmet und die andere vernachlässigt, kann es sein, dass er nur seiner eigenen Natur folgt und nur dasjenige tut, was ihm entspricht. Der wahre G-ttesdienst beinhaltet beide Wege; und die erste Prüfung der sich ein Mensch unterwerfen soll, ist dergestalt, ob er tatsächlich beide Wege begeht. Die in zwei gespaltenen Klauen des koscheren Tieres symbolisieren demnach den doppelten Lebensweg, den jedermann begehen muss.
Doch dem ist nicht genug: Vor jeder Tat muss der Mensch wiederholt nachdenken und prüfen, was seine wahren Motive und Hintergründe bei deren Ausübung sind und ob diese Tat tatsächlich dem g-ttlichen Willen entspricht; er soll im wahrsten Sinn des Wortes, wiederkäuen.
Erst wenn er beide Frage mit gutem Gewissen bejahen kann, soll er es sich zumuten, auch tierisches Fleisch zu geniessen, um in eine höhere Dimension zu gelangen.
Diskutieren Sie mit