In der dieswöchigen Sidra, der zweiten im fünften Buch der Tora, setzt Moses seine letzte große Ansprache an das Volk fort. Die 40 Jahre der Wüstenwanderungen nahen ihrem Ende, und Moses gibt letzte Anweisungen vor seinem Tode. Aller Augen, aller Herzen, aller Gedanken sind auf eines, und eines allein gerichtet: das Heilige Land, Erez Israel.

Die Tora ist unteilbar, und nichts in ihr ist "unwichtig". Wenn man auch jeweils nur einen Teil auf einmal lernen kann, wenn man sich auch nur allmählich mit allen Mizwot vertraut machen kann, muss man dennoch immer verstehen, dass dies nur ein Anfang ist und man schließlich Zugang zu allem finden wird. Einen Teil von Tora und Mizwot als die "Totalität" zu bezeichnen, wäre eine glatte Unwahrheit, und dies nicht nur in Bezug auf das Ausgelassene, sondern damit würde auch das, was dargeboten und anerkannt wird, gefälscht und verzerrt.

Zwei andere Elemente im Judentum nun sind ebenso unteilbar wie die Tora, und das sind das jüdische Volk und das Heilige Land.

Die jüdische Nation, in ihrer ganzen Struktur, ist etwas Vollständiges; sie umfasst alle, sowohl (Deut. 29, 9-10) "eure Häupter" wie "deinen Holzbauer und deinen Wasserschöpfer", also die Menschen höchsten Ranges, die größten Denker, zusammen mit den "untersten", einfachsten Leuten. Damit die Tora am Sinai gegeben werden konnte, mussten alle 600.000 zugegen sein; Moses, in all seiner Größe, konnte die Tora nicht allein entgegennehmen. Die Unteilbarkeit der Tora hat ihre Parallele in der Einheit Israels: Die Tora braucht jeden Buchstaben und Israel braucht jeden Juden.

So auch im Lande Israel: Jedes Sandkorn ist lebenswichtig, keine Zollbreite ist überflüssig. Wie bei der Tora lässt sich auch hier sagen, dass nicht alles auf einmal und sofort beherrscht werden kann. Die Israeliten nahmen das Land anfänglich nur etappenweise ein, das Land als solches aber ist eine Ganzheit. Es ist insgesamt Erez Israel, unbeschadet dessen, wer es gerade zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte besetzt hält. Zuerst eroberte Joschua nur Jericho, dies aber war der "Schlüssel" (Raschi zu Joschua 2, 1), womit die schließliche Einnahme des ganzen Landes gesichert war, obwohl dies noch viele Jahre dauern sollte.

Der Jude besitzt eine unveräußerliche Identität. Sein Jude-Sein ist nicht ein bloßes ihm beigegebenes Attribut, das er nach Wunsch annehmen oder wieder abwerfen kann. Er mag schwer sündigen, er mag sich vornehmen, "wie die Nationen" (Jesaja 50, 1) zu sein, aber er bleibt "Israel trotz seiner Sünden" (Talmud, Sanhedrin 44a). Analog gilt dies: Wir mögen aus unserem Lande verbannt sein, und andere mögen es bewohnen, aber seitdem es das "Land Israel" geworden ist, hat es diese seine Identität nie wieder aufgegeben. Es wurde niemals zum Lande Assyriens oder Babyloniens, Griechenlands oder Roms oder irgendeines anderen Reiches, welches zeitweise darüber herrschte. Seine Identität als das Land Israels ist unveränderlich und unveräußerlich.

Die Völker der Erde selbst nennen es das "Heilige Land", und das nur, weil die Tora es so bezeichnet, Erbteil des "Heiligen Volkes". Wir sagen in unseren Gebeten: "Wir sind aus unserem Lande verbannt worden" – "unserem", obwohl wir viele Jahrhunderte lang fern von "unserem" Boden gelebt haben. "Unsere Körper sind ins Exil geschickt worden, nicht aber unsere Seelen", sagte einmal der frühere Lubawitscher Rebbe sel. A. Doch ist Exil nicht nur geographisch definierbar mit "außerhalb des Landes". Es kann es auch in Erez Israel selbst geben, wenn nämlich der jüdische Bewohner nicht versteht, dass dies ein besonderes Land G-ttes ist. Es gehört dem Volke Israel, seitdem es ihm vor 4.000 Jahren in G-ttes ewigem Bund mit Abraham (Genesis 15, 12) zugesprochen worden ist.