Unser Wochenabschnitt erzählt von dem Unheil, welches das Volk Israel heimsuchen wird, sollte es den Weg der Thora verlassen.1 Abschließend verkündet die Thora, dass das jüdische Volk Tschuwa machen wird und dann sogleich die Erlösung eintritt.
Bei näherer Betrachtung der angekündigten Tschuwa, fällt die Reihenfolge der Verse auf: Zuerst steht geschrieben: Und sie werden ihre Sünden und die Sünden ihrer Väter beichten.2 Das jüdische Volk erwacht also in Tschuwa, worauf nun die Erlösung folgen müsste. Doch der nächste Vers lautet: Und Ich werde sie in das Land ihrer Feinde bringen. Dann erst wird ihr unbeschnittenes Herz gedemütigt, dann erst werden ihre Sünden vergeben werden. Von der Erlösung handelt erst der darauffolgende Vers: Und Ich werde meinem Bund mit Jakow gedenken – durch die Rechte der Vorväter kommt erst die Erlösung.
Lippengeständnis
Daraus wird ersichtlich, dass die Beichte der Juden allein nicht die Erlösung bringen wird. Die Erlösung wird erst eintreffen, nachdem „ihr unbeschnittenes Herz gedemütigt sein wird“, weil G-tt sie ins Exil in „das Land ihrer Feinde“ verbannen wird. Aber auch das wird nicht für die Erlösung ausreichend sein. Erst das Gedenken an die Rechte von Awraham, Itzchak und Jakow, wird G-tt dazu bringen, die Erlösung herbeizuführen.
Warum reicht die Beichte der Sünden nicht aus? Denn wenn ein Mensch seine Sünden beichtet (sie ausspricht), heißt das noch lange nicht, dass er auch wirklich seine Sünden aus tiefstem Herzen bereut, also echte Tschuwa tut. Echte Tschuwa ist nämlich eine innere Veränderung im Menschen. Das jüdische Volk wird von Unheil geplagt und dies macht es auf seine Sünden aufmerksam. Es beichtet sie, um G-ttes Vergebung zu erlangen, doch nicht unbedingt aus der Erkenntnis, dass sein Verhalten falsch war. In seinem Mittelpunkt steht, das Unheil abzuwenden und nicht sich seine Schuld einzugestehen – echte Tschuwa.
Sündenvergebung
Deshalb führt die Beichte der Juden nicht einmal zur Vergebung ihrer Sünden. Dies wird erst durch „die Verbannung ins Land ihrer Feinde“ bewirkt, denn auf diese Weise „wird ihr unbeschnittenes Herz gedemütigt“. Das gebrochene Herz und das Leid im Exil bewirken, „dass ihre Sünden vergeben werden.“
Doch die Sündenvergebung reicht nicht aus, um die Erlösung herbeizuführen. Die Erlösung kommt erst dann, wenn die Juden eine innerliche Änderung durchmachen – echte Tschuwa begehen.
Sündenvergebung ist eine Sache, doch echte Tschuwa bedeutet eine grundlegende Veränderung im Herzen und nicht nur in den Taten. Dies zu erreichen ist äußerst schwer. Deshalb wird G-tt deswegen die Erlösung nicht hinauszögern und sie wegen den Rechten der Vorväter – Awraham, Itzchak und Jakow – herbeiführen, welche wahre G-ttesdiener waren, in Herz und Tat.
Der Beginn des Prozesses
Nichtsdestotrotz reagiert G-tt auch auf die Beichte des jüdischen Volkes mit Barmherzigkeit. Auf den Vers (der gleich nach der Beichte des jüdischen Volkes folgt) Und Ich werde sie in das Land ihrer Feinde bringen,3 kommentiert Raschi: „Ich (G-tt) selbst bringe sie. Das ist eine Wohltat für Israel, damit sie nicht sagen: weil wir unter die Völker der Welt auswandern mussten, wollen wir gleich ihren Werken tun; Ich (G-tt) lasse euch das nicht tun, sondern schicke meine Propheten zu euch, dass sie euch wieder zum richtigen Weg zurückführen.“4
Allein die Tatsache, dass der Jude seine Sünden beichtet (ausspricht), auch wenn er nicht vorhat, sie zu korrigieren, hat einen positiven Effekt. Das gesprochene Wort erweckt das Herz und außerdem empfindet man Schande dabei, wenn man seine Sünden zwar beichtet, sie aber weiterhin begeht. Und dieses Schandgefühl an sich ist etwas Positives. Deshalb ist auf jeden Fall auch die Beichte wichtig und sie startet den Prozess zur vollkommenen Erlösung.
(Likutej Sichot, Band 27, Seite 207)
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