Die Belohnung, die G-tt jedem Juden für das Erfüllen Seiner Gebote verspricht, ist äußerst bemerkenswert: Dabei handelt es sich um grundlegende Dinge wie Gesundheit, Zufriedenheit, aber auch Wohlstand und Reichtum. Seine Belohnung deckt alle Bereiche des Lebens ab, sowohl in dieser Welt als auch in der kommenden. Demzufolge sind also die Gebote unverbindliche Bedingung für Seinen prächtigen Segen.

Laut dem Talmud bekommen wir aber ein anderes Bild. Er zitiert den ersten Vers unseres Wochenabschnitts und erläutert: „Wenn ihr in meinen Gesetzen wandelt - Das Wort Wenn (im Hebräischen) ist Ausdruck für Bitte“.1 G-tt also stellt uns überhaupt keine Bedingungen, sondern vielmehr bittet Er das jüdische Volk Seine Gebote zu beachten. Die Bitte G-ttes ist nicht nur eine bloße Wendung an uns, sondern gibt jedem einzelnen Juden Kraft den Willen G-ttes auch wirklich zu erfüllen. Sie gleicht einem Versprechen G-ttes, dass auch jeder nach Seinen Gesetzen wandeln kann, sogar jene Juden, die ihrem Judentum weit entfernt scheinen.

Bedingungslos

Was verbirgt sich hinter der Bitte G-ttes an uns Wenn ihr in Meinen Gesetzen wandelt?

Bekanntlich werden die Gebote der Thora in drei Klassen geteilt:

  1. Mischpatim (Mitzwot, die der Verstand erfassen kann, wie z.B. nicht zu stehlen);
  2. Edot (Mitzwot, zu deren Beachtung der Verstand uns nicht verpflichtet hätte; aber nachdem sie geboten wurden, sind sie nun auch verständlich, wie z.B. das Einhalten der Feiertage, an denen G-tt für uns große Wunder vollbrachte);
  3. Chukim (Mitzwot über dem menschlichen Verständnis, wie z.B. die Reinheitsgesetze).

In unserem Wochenabschnitt aber bezeichnet die Thora alle Gebote als Chukim (Bechukotaj). G-tt bittet uns darum die Gebote auf eine solche Weise zu erfüllen, als ob sie alle Chukim wären. Auch die Mischpatim und Edot, obwohl wir ihren Grund einsehen, sollen nicht unserer Erkenntnis wegen erfüllt werden, sondern nur, weil G-tt es will.

Fragen nicht erlaubt?

In der Natur des Menschen liegt es Dinge verstehen zu wollen. Deshalb sind die Handlungen des Menschen lebendiger, wenn er sie versteht. Wie würde wohl das Erfüllen der Gebote aussehen, wenn ihr Hintergrund nicht mit einbezogen wäre?

Tatsächlich aber bereitet diese g-ttliche „Bürde“ – die Erfüllung der Gebote nur Seines Willens wegen – den allergrößten Genuss, viel mehr als den Genuss eine Sache zu verstehen! G-tt bedingungslos zu dienen verkörpert einen G-ttesdienst der Hingabe und Leidenschaft und des völligen Vertrauens in G-tt. Dabei geht es dem Juden nur darum den Willen G-ttes zu erfüllen. Er gleicht einem treuen Knecht, der jede Anordnung seines Herrn erfüllt ohne zu fragen; nicht aus Zwang, sondern Leidenschaft – der Leidenschaft seinem Herren durch seinen Dienst Freude zu bereiten.

Was kann es denn für ein besseres Element für eine gesunde Beziehung geben als das gegenseitige blinde Vertrauen zueinander. Daraus entsteht Liebe, Hingabe und der starke Wille den anderen glücklich zu machen. So auch entspringt aus dem Vertrauen zu G-tt wahre Hingabe an Ihn. Diese Selbstlosigkeit gegenüber G-tt ist nichts Aufgezwungenes, sondern eine ganz natürliche Konsequenz der Hingabe an G-tt. Kann es denn einen größeren Genuss geben als G-tt auf diese Weise zu dienen?

Die Blockade: das Verständnis

Außerdem kann man nur durch diese vollkommene Hingabe an G-tt „in seinen Gesetzen wandeln“ – der Aufstieg auf der spirituellen Leiter, immer weiter und weiter bis auf die höchsten Ebenen. Denn solange der Mensch die Gebote aus Vernunft erfüllt, beschränkt er die Bindung zu G-tt (welche die Mitzwa auslöst), da seine Verständniskraft Grenzen hat. Nur durch den G-ttesdienst aus wahrer Hingabe – nur weil dies Sein Wille ist – kann man sich endlos treiben lassen. So erreicht man eine echte G-ttesnähe! So erfüllt man die Mitzwot mit Leidenschaft, Herzenslust und wahrem Genuss!

(Likutej Sichot, Band 1, Seite 281)