I. Diese Parascha beginnt: „Im (wenn) ihr in Meinen Vorschriften geht.“1 Die Gemara2 interpretiert das Wort im in diesem Vers als eine Bitte. D. h., das Wort im ist hier keine Bedingung (wenn), wie an vielen anderen Stellen, auch in dieser Parascha selbst: „Im (wenn) ihr nicht auf Mich hört ... und wenn Meine Anordnungen ...“3 Hier ist es ein Appell. Der Allmächtige bittet Israel sozusagen: „‚Geht in Meinen Vorschriften‘ – strengt euch mit der Tora an.“4
Diese Bitte und dieses Gebot verleihen jedem Juden auch die Fähigkeit5 und die Zusicherung, dass du in Meinen Vorschriften gehen wirst, wie es geschrieben steht – „Der Verbannte wird sicherlich nicht von Ihm verbannt bleiben.“6
II. Das Zusammentreffen von „Gebot“ und „Zusicherung“ findet sich auch bei der Mizwa von Ahawat Haschem (G-tt lieben). Der Alte Rebbe7 bietet zwei Bedeutungen an für „Du sollst den Ewigen, deinen G-tt, lieben“8 : a) „Du sollst (d. h. musst) lieben“, im Sinne eines Gebots; und b) „Du sollst (d. h. wirst) lieben“, im Sinne eines Versprechens oder einer Zusicherung. Auch hier sind beide Bedeutungen miteinander verknüpft: Das Gebot von oben verleiht die Fähigkeit und die Zusicherung.
Die Liebe zu G-tt ist die eigentliche Wurzel aller 248 positiven Gebote,9 einschließlich des Gebots, G-tt zu fürchten10 – das die Wurzel aller 365 negativen Gebote ist.11 Die Liebe zu G-tt ist daher die Wurzel aller 613 Mizwot.12
So wie es ein gleichzeitiges Gebot und eine Zusicherung in Bezug auf die Mizwa von Ahawat Haschem gibt, so auch in Bezug auf alle 613 Mizwot, die alle in dem Vers enthalten sind: „Im (der Begriff, der eine Bitte und eine Zusicherung ausdrückt) ihr in Meinen Vorschriften gehen und Meine Gebote halten und sie tun werdet.“
III. Eine andere Auslegung besagt, dass sich das Wort Bechukotai (in Meinen Vorschriften) auf die Mizwot im Allgemeinen bezieht.13 Es gibt drei Arten von Mizwot: Mischpatim, Edot und Chukim.14 Die Mizwot in der Kategorie der Mischpatim sind Vorschriften, die die praktische Vernunft oder der gesunde Menschenverstand uns zwingt zu befolgen, selbst wenn sie nicht von der Tora verordnet worden wären.15 Die Mizwot in der Kategorie der Edot sind nicht per se rationale Prinzipien; aber da sie von der Tora verordnet wurden, können sie mit der Vernunft in Einklang gebracht werden.16 Chukim hingegen sind jenseits der Vernunft oder des rationalen Verständnisses, wie die Mizwot von Scha-atnes, der roten Kuh und so weiter.17
Der Begriff Bechukotai in unserem Vers bezieht sich auf alle Mizwot. Die Tora verwendet diesen Begriff hier, um zu lehren, dass auch die Edot und die Mischpatim, die rational verstanden werden können, durch Kabbalat Ol (Annahme des Himmlischen Jochs) befolgt werden müssen, genau wie die Chukim18, von denen es heißt: „Ich habe eine Vorschrift erlassen, Ich habe ein Dekret erlassen.“19
Die Einhaltung der Mizwot beruht nicht auf rationalem Verstand, sondern auf Kabbalat Ol. Nichtsdestotrotz ist sie von Freude durchdrungen. In der Tat ist die Freude an dieser Art der Befolgung jeder anderen weit überlegen, wie man es vom Dienst eines treuen Dieners kennt, der sich an der Freude seines Herrn erfreut.20
All dies wird durch das Wort Telechu (ihr werdet gehen) angedeutet: Auch wenn wir von Bechukotai, dem Konzept von Kabbalat Ol, sprechen, handelt es sich doch um einen Modus von Telechu: gehen, weitergehen. Der wahre Sinn des „Gehens“ besteht darin, immer weiter zu gehen, ohne Ende.21 Die Fähigkeit dazu kann nicht aus den eigenen, inneren Kräften kommen, die endlich sind, sondern aus einer umfassenden, transzendierenden Energie, aus der Freude, aus der Vitalität.
Die G-ttliche Bitte und Zusicherung von im bezieht sich nicht nur auf den „Körper“ (den physischen Akt) der Erfüllung der Mizwot, sondern auch auf die Art und Weise, wie dies geschieht: Bechukotai Telechu – ihr werdet in Meinen Vorschriften gehen, d. h., dass jeder Jude sicher sein kann, dass er die Mizwot mit der Vitalität von Kabbalat Ol befolgen wird.
IV. Die Belohnung für das oben Gesagte ist: „Ich werde euren Regen zu seiner Zeit geben ...“22 : a) „Geistiger Regen.“ Regen im geistigen Sinne bedeutet: „Meine Lehre wird fallen wie der Regen“23 und bezieht sich auf einer höheren Ebene auf das Licht der Tora.24 Auf einer noch höheren Ebene bezieht es sich auf die Tora, die vom Maschiach gelehrt werden wird,25 von der gesagt wird, dass die Tora, die der Mensch in der gegenwärtigen Zeit lernt, „wie ein flüchtiger Hauch“ ist im Vergleich zu der Tora, die in den Tagen des Maschiach gelehrt werden wird.26
Dies wird von selbst b) „euren Regen zu seiner Zeit“ auch im wörtlichen, materiellen Sinne hervorbringen. Dieser materielle Segen wird so sein, dass seine physische Realität den Dienst G-ttes nicht beeinträchtigen wird. Er wird diesen Dienst sogar noch verstärken, wie es heißt: „Gestern sagte ich es dir deshalb nicht, weil ich kein Rindfleisch gegessen hatte ...“27 (R. Nachman begründete seine geistige Trägheit am Vortag mit diesen Worten; er war also nicht in der Lage, das erörterte Thema gründlich zu durchdenken und fühlte sich daher schwach, denn das Essen stärkt die Konzentrationsfähigkeit und klärt die Einsicht.) Der materielle Segen wird daher einen Dienst an G-tt mit innerer Ruhe und einer Erweiterung des Bewusstseins ermöglichen.
(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am Schabbat Paraschat Behar-Bechukotai 5716)
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