In der Antike war es üblich, Sklaven zu besitzen. Unser Wochenabschnitt behandelt die Rechte der Sklaven. Die Thora unterteilt die Sklaven in drei Klassen: hebräischer Sklave, kenaanitischer (nichtjüdischer) Sklave, hebräische Sklavin.1

Laut dem Thoragesetz durfte man einem kenaanitischen Sklaven sogar Schwerstarbeit auferlegen, doch unsere Meister ordneten an, auch mit dem kenaanitischen Sklaven barmherzig zu sein. Rambam legte fest: „Zu den Wegen der Barmherzigkeit und Weisheit gehört, dass der Mensch gnädig und gerecht ist. Deshalb soll er mit seinem Sklaven nicht zu hart sein, ihn schlagen oder kränken. Von jeder Speise und jedem Trank soll auch er bekommen.“2 Rambam schreibt sogar weiter: „Die großen Weisen gaben ihren Sklaven zu essen und zu trinken, bevor sie selber speisten.“

Sei weise

Laut Rambam soll man aus zwei Gründen human zu dem Sklaven sein: Barmherzigkeit und Weisheit. Worum geht es bei diesem zwei Eigenschaften und warum sind beide notwendig? Wer mit Weisheit handelt, wird tatsächlich seinen Sklaven gut behandeln. Ein weiser Herr möchte, dass sein Sklave gesund und stark bleibt und fleißig arbeitet. Wenn er ihn überlastet, könnte der Sklave erkranken oder fliehen. Deshalb ist es doch sehr vernünftig, rücksichtsvoll mit ihm umzugehen.

Sei barmherzig

Doch Weisheit allein reicht nicht. Erstens könnte man zu dem logischen Entschluss kommen, dass man mit dem Sklaven nicht barmherzig sein darf. Wenn man mit dem Sklaven sanft ist, kann dies zu Ungehorsam und sogar Auflehnung führen. Damit der Sklave gehorsam ist, muss er seinen Herrn fürchten und so gepeinigt werden, bis er keinen eigenen Willen mehr hat.

Zweitens: Selbst wenn die Weisheit den Herrn dazu bringt mit seinem Sklaven barmherzig zu sein, steckt überhaupt keine Logik dahinter, derart rücksichtsvoll zu sein und dem Sklaven vor sich selbst zu essen zu geben.

Aus diesem Grund legte Rambam fest, dass es nicht ausreicht, in den Wegen der Weisheit zu wandeln, sondern auch Barmherzigkeit haben muss.

Im Talmud steht geschrieben, dass eines der Markenzeichen der Juden die Barmherzigkeit ist. Sie sind von Natur aus gnädig. Deshalb gehört es zu den Wegen der Barmherzigkeit bei einem Juden, sich um die Ernährung eines kenaanitischen Sklaven zu kümmern und das sogar bevor man selber isst.

Gesetze für G-tt

Laut dem Midrasch erfüllt G-tt selbst die Gebote (auf spirituelle Weise), die Er dem jüdischen Volk aufgibt.3 Da G-tt den Juden gebietet, sogar mit dem kenaanitischen Sklaven barmherzig zu sein, verhält Er sich auf dieselbe Weise gegenüber dem kenaanitischen Sklaven.

Dabei handelt es sich um einen solchen Juden, der kein Interesse hat, G-tt zu dienen. Es zieht ihn nicht zur Thora hin, sondern ihm ist ein Leben in Anarchie lieber, ohne Verantwortung und Pflichten zu G-tt, wie eben auch ein Sklave anarchisch leben möchte.4

Doch G-tt ist schließlich der Herr der Welt und alle Menschen sind seine Untertanen, insbesondere das jüdische Volk, welches G-tt zu Seinem Eigentum machte.

Die Thora lehrt uns, dass G-tt auch mit einem solchen Juden, der sich wie ein kenaanitischer Knecht aufführt, barmherzig ist. Und G-ttes Barmherzigkeit zu ihm ist so groß, dass Er nicht zuerst „isst“ – von den vollbrachten Mitzwot des Juden „Genuss hat“ – und sich dann um den Juden kümmert, sondern sogar noch davor gibt er dem Juden all seine Bedürfnisse, sodass es ihm an nichts mangle.

(Likutej Sichot, Band 37, Seite 72)