Der Talmud glaubt nicht an „Gleichheit“. Dieser alte Schatz jüdischer Weisheit rät: Wenn sich ein guter und ein schlechter Mensch um ein Amt bewerben, sollten wir nur dem Guten zuhören und den Schlechten ignorieren. Nicht einmal seinen Namen sollen wir erwähnen.
Der Talmud hat eine Quelle für diese Voreingenommenheit: das noch ältere Buch der Sprüche Schlomos, in dem es heißt: „Sprich vom Rechtschaffenen, um ihn zu segnen, und lass den Namen des Bösen verrotten“ (Sprüche 10:7). Der Talmud zitiert diesen Vers und erklärt: „Es ist verboten, seinem Kind den Namen eines Sünders zu geben.“
Hier stellt sich die Frage: Warum heißt der neue Wochenabschnitt (Numeri 16-18) Korach, obwohl dieser Mann gegen Mosche und Aharon rebellierte? Wenn die Tora nicht will, dass wir unsere Kinder Adolf, Josef Wissarionowitsch oder Kapitän Hook nennen, warum benennt sie dann eines ihrer Kapitel nach einem verstockten Sünder, dessen Taten die Existenz des Volkes Israel gefährdeten, so dass G-tt der Erde befahl, ihn zu verschlingen, worauf er „lebend in den Abgrund stürzte“?
Ein Sprichwort sagt: „Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.“ auch Korach, der einzige Mensch, von dem wir wissen, dass er diesen ungemütlichen Ort lebend erreichte, wurde von guten Motiven geleitet. Wie die Tora berichtet, hatte er hohe spirituelle Ziele und wollte Kohen Gadol (Hohepriester) werden. Dies ist der höchste Rang, den ein Priester erlangen kann.
Woher wissen wir, dass dies ein guter Wunsch war? Erstens, weil unsere Weisen sagen, dass wir alle in der künftigen vollkommenen Welt des Moschiach G-tt so nahe sein werden, wie Korach es ersehnte. Zweitens, weil wir noch einen Menschen kennen, dem G-tt wie Korach verbot, Kohen Gadol zu sein, und der dennoch den unersättlichen Wunsch hatte, es zu werden: Mosche.
Mosche sagte zu Korach: „Wir haben nur einen G-tt, eine Tora, ein Gesetz, einen Kohen Gadol und ein Heiligtum. Du aber willst Hohepriester werden. Das will ich auch!“ (Midrasch Tanchuma, zitiert von Raschi zu Numeri 16:10).
„Das will ich auch!“ Scherzte Mosche nur? Wollte er Korach auf die Probe stellen? Oder wird uns ein Blick in seine Seele erlaubt, die vom unstillbaren Wunsch verzehrt wird, etwas so Hohes und G-ttliches zu erreichen, dass es selbst Mosche verwehrt wurde? Wurde die tiefste Sehnsucht seiner Seele enttäuscht, weil ein g-ttlicher Befehl ihm den Weg versperrte: „Halt. Nein. Noch nicht.“?
Sowohl Korach als auch Mosche begehrten das Verbotene. Korach und seine Anhänger wurden von diesem Verlangen zerstört. Mosche wurde dank des gleichen Wunsches ein großer Mensch.
Die Straße zur Hölle ist mit frommen Wünschen gepflastert. Die Straße zum Himmel ebenfalls. Der Unterschied ist klein, aber entscheidend. Es kommt darauf an, ob wir uns gegen den Willen G-ttes einen frommen Wunsch erfüllen wollen oder ob wir den Wunsch hegen, mit ihm ringen, ein leidenschaftliches Leben lang versuchen, ihn zu erfüllen, aber nichts tun, was uns verboten ist.
Darum gibt es ein Kapitel in der Tora mit dem Titel „Korach“, erklärt der Lubawitscher Rebbe. Die Tora will uns damit sagen, dass es den Menschen Korach und den Wochenabschnitt Korach gibt - oder den Leib und den Geist Korachs. Korach, der Mensch, überschritt die Linie, die Gut und Böse trennt und die G-tt festgelegt hat; darum müssen wir ihn verschmähen. Korach, der Wochenabschnitt, ist die heilige Sehnsucht, mit der wir die Hindernisse überwinden, die G-tt errichtet, um unsere zum Himmel stürmende Seele aufzuhalten. Sie kämpft und strebt, wagt es aber nicht, den g-ttlichen Willen zu missachten. Darum sollten wir sie willkommen heißen.
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