Wären Sie beleidigt, wenn ich Sie einen Dieb nennen würde? Sie wären wohl nicht erfreut und würden mir künftig aus dem Weg gehen. Aber ist meine Behauptung wirklich völlig falsch?
Seien Sie ehrlich. Wahrscheinlich sind Sie irgendwann der Versuchung erlegen, etwas zu nehmen, was Ihnen nicht gehörte. Vielleicht haben Sie in einem Geschäft etwas nicht bezahlt, dem Finanzamt eine Einnahme verschwiegen oder im Wäscheschrank Ihrer Mutter nach Süßigkeiten gesucht. Die meisten Menschen haben etwas getan, was ihnen heute leid tut.
Aber wenn ich Sie eines Mordes beschuldigen würde? Kein Grund, Schuldgefühle zu haben – Sie sind unschuldig, Punkt. Mag sein, dass Sie einmal so wütend waren, dass Sie am liebsten zugeschlagen hätten; aber Sie hatten sich im Griff, und darum lesen Sie diesen Artikel nicht in einer Gefängniszelle.
Wie wäre es, wenn jemand Ihnen ein abscheuliches Verbrechen vorwerfen würde, etwa Vergewaltigung, Kindesmissbrauch oder Auspfeifen der Nationalmannschaft? Vielleicht würde ein derart böser Vorwurf Sie schmerzen, aber Sie hätten keine Schuldgefühle, weil Sie wissen, dass Sie unschuldig sind.
Wenn Sie mich eines Verbrechens beschuldigen, das ich tatsächlich begangen habe, dann schäme ich mich und nehme mir vor, künftig der Versuchung zu widerstehen. Wenn Sie mir jedoch etwas vorwerfen, was ich nicht getan habe, lache ich und gehe einfach weg, ohne mich groß aufzuregen.
Der Rebell Korach und seine Komplizen warfen Mosche öffentlich eine ganze Reihe von Sünden vor, zum Beispiel Korruption, Nepotismus, Geldverschwendung, unmoralische Justiz und Größenwahn. Für einen Mann mit Mosches Charakter und einem untadeligen Ruf war das genau so, als hätte man einem Durchschnittsmenschen Massenmord vorgeworfen – es gab keine Leichen, also auch keinen Grund, sich zu verteidigen.
Mosche hätte einfach weggehen und G-tt bitten können, die Sünder zu bestrafen. Seine Reaktion war typisch für ihn. Er warf sich zu Boden und betete. Mosche war der bescheidenste Mensch, der jemals lebte. Ungeachtet seiner enormen Leistungen stellte er sich immer der Kritik und weigerte sich nie, besser zu werden. Darum fragte er sich: „Bin ich dieser Vergehen möglicherweise schuldig, und sei es nur auf ganz subtile Weise? Habe ich die Stellung, die G-tt mir gab, zu meinem Vorteil missbraucht? Vielleicht muss ich Buße tun.“
Nach einer gründlichen Selbstprüfung stand er auf und stellte sich der Herausforderung.
Viele Menschen greifen den Boten an, wenn sie angegriffen werden, anstatt sich die Botschaft zu Herzen zu nehmen und daraus zu lernen. Auf dieser Welt geschieht nichts zufällig. Wenn ich einem skrupellosen Feind gegenüberstehe und Verleumder hinter meinem Rücken tuscheln, kann ich mich in mein Zelt zurückziehen und schmollen. Aber ich kann den Schlag auch einstecken, daraus etwas fürs Leben lernen und dann den Staub aus den Kleidern klopfen und tun, was getan werden muss.
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