An diesem Schabbat Schuwa ist es angebracht, sich an die folgende wunderbare Geschichte zu erinnern, von dem Grafen, der Tschuwa tat; sie ereignete sich vor vielen Jahren, zur Zeit des Polenkönigs Ponjatowsky.

Am Königshofe behauptete einmal einer der Edelmänner, in seinem Dorfe sei ein christliches Mädchen kurz vor Pessach verschwunden, und "zweifellos" hätten die Juden es für "rituelle zwecke" getötet. Er beantragte deshalb, die Juden aus Polen zu vertreiben und all ihr Hab und Gut zu beschlagnahmen. Der König, an sich kein Unmensch, war über diese Anschuldigung entsetzt, und er fragte seine Ratgeber, ob dieses Vorkommnis wahr sei; wenn wahr, denn stimme er einem solchen Dekret zu. Alle Höflinge bekräftigten es, und jeder von ihnen unterschrieb das Dekret, so wie es bei Hofe üblich war.

Einer der höchsten Ratgeber des Königs, Graf Vladek, nahm ebenfalls die Feder in die Hand, und dann zögerte er. Mehrere Minuten lang blieb er unentschlossen. Schließlich stand er auf, sehr bleich. Mit zitternder Stimme sagte er: "Ich kann nichts unterschreiben, was ich für falsch halte. Wie Ihr wisst, war ich selbst einmal Jude, und mir sind die jüdischen Gesetze und Bräuche wohl bekannt, wenn ich mich auch von ihnen abgewandt habe. Was immer auch über die Juden ausgesagt werden mag, eins ist klar: Jeder Blutgenuss ist ihnen absolut verboten, und daher ist jede Blutbeschuldigung grundlos."

Die anderen Höflinge schauten ihn verdrossen an, hatte doch Vladek selbst bei früheren Gelegenheiten schlimme Erlasse gegen die Juden befürwortet oder sich zu anderen Zeiten über sie lustig gemacht. Und jetzt warf er sich plötzlich zu ihrem Freund und Verteidiger auf! Der König hingegen war über Vladeks Aussage sehr erfreut, und er widerrief das Dekret sofort.

Seit jenem Tage war Vladek ein anderer Mann. Einst war er der bescheidene Jeschiwastudent Velvel gewesen, aber durch die Aussicht auf eine reiche und aristokratische Heirat angelockt, war er der wilde Graf Vladek geworden, Verräter seiner Familie, seiner Religion und seines Volkes. Tagelang quälten ihn jetzt düstere Gedanken, bis er schließlich einen Entschluss fasste, komme was wolle ... Diesen durchzuführen, war jedoch nicht leicht; im Gegenteil, damit würde er sich, sowie die Juden überhaupt, in grosse Gefahr versetzen.

Schließlich erinnerte er sich, dass in einer der Städte seiner Grafschaft ein Rabbi lebte, über den viel Wunderbares berichtet wurde.

Vladek verlor keine Zeit mehr. Unter dem Vorwand, auf die Jagd zu gehen, machte er sich auf den Weg zu dem Rabbi. Mit Absicht richtete er es so ein, dass er unbegleitet und um Mitternacht in der Stadt ankam, und alsbald suchte er den Rabbi auf. Dieser saß beim Lernen; und da kam ein polnischer Graf ins Zimmer, der sofort seine ganze Geschichte vorbrachte und, mit Tränen in den Augen, ihn bat, ihm zu helfen, dass er wieder Jude werden könnte. Der Rabbi war nicht nur sehr erstaunt, er war auch beunruhigt, denn er war sich nicht sicher, ob dieser Graf es ehrlich meinte; die Situation könnte, im Gegenteil, eine schwere Gefahr in sich bergen. So antwortete er ihm, er könne mit dieser seiner Idee viel Unheil anrichten. Der Graf aber bestand darauf, er meine es ehrlich, und er würde alles tun, was der Rabbi ihm auferlegen würde.

Der Rabbi, immer noch voller Zweifel, rief aus: "Sollte dieser Stock in Blüten ausbrechen, dann wüsste ich, dass Ihr wahre Reue zeigt!" Der Graf wusste nichts anderes zu tun, als seinen Stock, den er in eine Ecke gestellt hatte, traurig anzuschauen. Plötzlich sprang er vom Stuhle auf, unfähig, ein Wort herauszubringen; wortlos streckte er die Hand aus und zeigte auf den Stock. Der Rabbi warf gleichfalls eine Blick in dieselbe Richtung, und dann sprang auch er voller Erstaunen auf ...

Jetzt hatte der Rabbi keine Bedenken mehr; er erkannte, dass der Graf die Wahrheit gesprochen hatte. So gab er ihm zu verstehen, dass er wieder Jude werden könne, und er segnete ihn. G-tt hatte ein Wunder getan, um eine jüdische Seele zu retten.

Einige Tage später ging der Graf wieder auf die Jagd, diesmal jedoch kehrte er nicht davon zurück. Sein Pferd kam reiterlos nach Hause, und jeder dachte, er sei im Walde umgekommen. Soldaten suchten nach seiner Leiche - vergeblich. Ein armer Bettler, in alten Kleidern, wanderte von Dorf zu Dorf, von Land zu Land, bis er Holland erreichte und in Amsterdam ankam. Hier ging er zum Rabbiner, und Velvel, quondam Graf Vladek, wurde wieder zu einem frommen Juden. Er führte ein Leben von Ruhe und Frieden, bis zum Ende seiner Tage.

Zusammenfassende Übersicht:

Die Größe von Tschuwa (Umkehr und Reue), die als Leitgedanke über dem heutigen Schabbat Schuwa steht, ist in dem Beispiel des polnischen Grafen Vladek zu erkennen. Seine Geschichte zeigt: Für Tschuwa ist es nie zu spät.