Es erscheint irgendwie paradox, dass Adam gleich von Anfang an, als er sich noch in der idealen Umgebung des Gartens Eden befand, zum Arbeiten angehalten wurde - wie wir in der dieswöchigen Sidra lesen können. Entgegen allen weit verbreiteten Ansichten war es für Adam nie möglich, sich vollkommener Ruhe zu erfreuen oder sich frei von Aufgabe und Verantwortung zu entspannen. Noch ehe er das G-ttliche Gebot (der verbotenen Frucht übertrat, also als er noch keinerlei Schuld auf sich geladen hatte, wurde ihm zur Lebenspflicht gemacht. "ihn (d. h. den Garten Eden) zu bearbeiten und zu hüten" (Gen. 2, 15). Und doch wird Adams Aufenthalt im Garten als das Paradigma des "guten Lebens" angesehen. Daraus folgt doch, dass Arbeitsamkeit auf der einen Seite und das "gute Leben“ auf der anderen nicht unvereinbare Begriffe sind. Tatsächlich ist schwere Arbeit die Grundlage eben des "guten Lebens", wie wir im folgenden zeigen wollen.

Die Frage kann gestellt werden: Hätte nicht der gute und gnädige G-tt noch dadurch eine grössere Güte beweisen können, dass Er eine perfekte Welt geschaffen hätte, in der es an nichts mangelte und in der Arbeit überflüssig und jegliche Beschäftigung als solche unnötig gewesen wären? Eine Welt, in der der Mensch seinen Unterhalt allein durch Seine Gnade erhalten und so in Bequemlichkeit leben könnte, statt seinen Lebensunterhalt durch Arbeit erst verdienen zu müssen?

Unsere Weisen lehren, dass der Mensch deshalb nach allen anderen Dingen und Wesen geschaffen wurde, damit all sein Bedarf schon bereitgestellt und gewährt war, als er in die Welt kam. Weshalb also waren Arbeit und Beschäftigung notwendig? Sollte dies etwa bedeuten, dass es noch manches zu tun und zu verbessern gab, dann würde daraus folgen, dass die Schöpfung noch Mängel aufwiese. Doch müssen wir aus dem Text der Sidra entnehmen, dass G-tt mit diesem scheinbar unvollkommenen Zustand wohl zufrieden war, denn am Ende jedes Schöpfungsvorganges bezeichnete Er das Ergebnis als "gut" (s. Gen., Kap. 1, Vers 4, 10, 12 und weitere). Hiermit wird klar angezeigt, dass es eben diese Unvollkommenheiten und Fehler waren - an denen es noch zu arbeiten und zu verbessern gab -, die ein wesentliches Attribut des letztlichen Guten sind.

Es war nicht G-ttes Absicht, die Menschen mit unverdientem Wohlergehen zu überschütten. Sein Plan bestand nicht darin, dass es kein Gebiet für den Menschen mehr geben sollte, auf dem er nicht seine eigenen schöpferischen Fähigkeiten in Anwendung bringen könnte. Im Gegenteil, G-tt wollte dem Menschen ein Bewusstsein von Erfolg und Erfüllung geben - etwas, das er als sein Eigentum betrachten kann. Zweifellos schätzt der Mensch all das viel höher, was er durch seiner Hände Werk verdient hat, als das, was ihm umsonst gewährt würde. In der Tat hat ein Mann lieber - ein Mass Getreide, das er selbst geerntet hat, als neun Mass eines anderen, die ihm geschenkt worden sind, oder auch die er gekauft hat (vgl. Talmud, Baba Mezia 38a).

Alles wäre sicherlich leichter, und Komplikationen würden wohl vermieden werden, wenn uns alles sozusagen "Auf dem Tablett" präsentiert würde, ohne dass wir uns darum mühen müssen. Das aber käme, in den Worten des Sohar, dem Zustande gleich, wo wir "das unverdiente Brot der Schande" essen würden (vgl. Talmud Jeruschalmi, Orlah, Kap. 1 Hal. 3).

Es gibt den Ausspruch "Es ist schwer, ein Jude zu sein" - zu einer Minderheit in einem fremden (wenn nicht gar feindlichen) Lande zu gehören, wo die Lebensbedingungen schwierig, ja entmutigend sind. Nichts kommt leicht auf uns zu, doch auch dies gereicht uns zum Vorteil. Nur das, was wir rechtmässig durch beharrliche Mühen und Anstrengungen verdienen, gibt uns wahre Genugtuung: die Gewissheit, gesiegt zu haben, kommt nur dann auf, wenn vorher ein Kampf zu bestehen war.

Vielleicht könnte, in der Theorie, viel mehr erreicht werden, wenn die Dinge uns leicht gemacht und alle Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt würden. Demgegenüber aber steht fest, dass man in den "Prüfungsaufgaben" des Lebens noch bessere "Zensuren" bekommt für das zur Schau gestellte Bemühen als für das eigentliche Ergebnis.

Zusammenfassende Übersicht:

Zu keiner Zeit durfte Adam sich des Gartens Eden ohne Mühe und Arbeit erfreuen. Dem Menschen wird nichts geschenkt auch das "leichte Leben" nicht. Vielmehr ist er berufen, in der Welt schwierige Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen.