Eine der ersten Quellen, die von der Würde des Individuums spricht, ist der Tora-Abschnitt dieser Woche. Die Größe Adams, Noachs, der Patriarchen und Mosches ist allgemein bekannt. Das alles sind denkwürdige Namen. Aber die Unbekannten, die vielen Tausend, die keine Führungspersönlichkeiten sind – auch sie erhalten Würde durch das einfache Thema des neuen Wochenabschnitts: die Volkszählung.

Zählen setzt einen Wert voraus, denn wertlose Dinge zählt man nicht, zumindest nicht als Individuen, sondern bestenfalls als Teil einer Masse. Die Tora zählt Israel bis zum letzten Mann, weil jeder unbezahlbar ist, auch wenn er uns unbedeutend vorkommen mag.

Wir sind durchaus bereit, den Gedanken zu akzeptieren, dass wir selbst einfache Menschen nicht ignorieren dürfen. Doch der Bibelkommentator Raschi macht dazu eine wichtige Anmerkung. Er nennt mehrere Anlässe, bei denen Israel gezählt wird, vor allem nach dem Goldenen Kalb und nach der Weihe des Heiligtums. Diese Beispiele stehen im krassen Gegensatz zueinander. Das eine zeigt Israel tief im Götzendienst versunken, im spirituellen Nadir, das andere schildert, wie das Volk sich und das Heiligtum G–tt weiht.

Vielleicht will Raschi deutlich machen, dass jeder Mensch einen natürlichen Wert hat und dass seine Seele eine natürliche Reinheit unter dem äußeren Schmutz besitzt. Wir dürfen keine Normen für „wertvolle“ Menschen festlegen und den „unwürdigen“ dann die Menschenrechte verweigern. Jedes Individuum ist einzigartig und unbezahlbar, und jedes ist Teil Israels, nicht nur in weihevollen Augenblicken, sondern auch, wenn es schwach wird oder gefallen ist.