Nichts steckt mehr an, als Auseinandersetzungen. Ich war in mehr als eine verstrickt, denn ich dachte stets, der Anwalt für Gerechtigkeit und Helfer der Benachteiligten zu sein. Im Rückblick, muss ich sagen, bereue ich meine Beteiligung. Aber ich sage es ganz offen, dass ein interessanter Kampf auf frappierende Weise meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Eine langweilige Konversation bekommt ganz neue Kanten, wenn sich eine kleine Meinungsverschiedenheit den Weg hinein bahnt. Ein Manuskript wird gefühlsmäßig aufgeladen, sobald eine zwischenmenschliche Spannung sich in das Stück einfügt. Meinungsverschiedenheiten sind ansteckend.

Und das beeinflusst auch unsere Gedanken und Gefühle, noch bevor wir uns einen objektiven Überblick gemacht haben.

Das ist wohl auch der Grund, warum die meisten Menschen dieselbe Partei wie ihre Eltern wählen und warum wir dazu tendieren, uns auf die „Seite“ unserer Freunde zu stellen.

Die Tora bestätigt uns, wie leicht es ist, in die Streitigkeiten anderer verwickelt zu werden. Während ihrer Wanderung durch die Wüste, waren es Nachbarn, die sich zusammen fanden, um auf dramatische Weise die Führerschaft Moses herauszufordern. Korach und 250 Mitglieder des Stammes Ruben.

Korach hat die Kontroverse begonnen, aber Ruben, der nächst liegende Stamm, war am empfänglichsten für seinen Einfluss. G-tt hatte den Lageplan für die Position der Stammesfeldlager in der Wüste festgelegt. Im Zentrum lag die Stiftshütte, das Zelt der Begegnung. Die Familie des Stammes Levi kampierte direkt um die Stiftshütte herum, an allen vier Seiten. Die anderen zwölf Stämme1 lagerten rund um die Familie Levi, insgesamt drei Stämme an jeder Seite der Stiftshütte.

Korach war vom Stamme Levi. Seine Familie, die Familie von Kohath kampierte auf der Südseite der Stiftshütte. Hinter ihnen lagerten die Stämme Ruben, Schimon und Gad. Es war kein Zufall, dass die Männer von Ruben mit Korachs Streitsache sympathisierten und sich in der Revolte gegen Mose anschlossen. Und obwohl die Männer vom Stamme Ruben nicht die Ankläger gegen Mose waren, wurden sie als unter Korachs Einfluss stehend dennoch zur Rechenschaft gezogen.

„Wehe dem bösen Menschen, und wehe seinem Nachbarn“ sagt Raschi,2 vom Talmud3 hergeleitet. „Und darum wurden Datan und Aviram vom Stamme Ruben und 250 andere Männer gemeinsam mit Korach und seiner Gemeinde bestraft? Weil sie sich in den Disput hineinziehen ließen.“

Dies war ein klassisches Beispiel für Gruppendenken.

Und dann liefert uns Raschi nur ein paar Verse weiter4 ein Beispiel für die Kehrseite.“Es ist gut für den Zaddik (Gerechten) und gut für seinen Nachbarn.“

Dies sagt Raschi in Anlehnung an die Positionen von Moses und Aarons Familie, an der Ostseite der Stiftshütte, direkt vor den Stämmen Juda, Issachar und Sewulon. „Weil sie Moses Nachbarn waren, der in das Studium der Tora vertieft war, wurden (auch) sie Größen der Tora.“

Wenn die Tora sagt, wer neben wem wohnte, erklärt sie uns die große Kraft des Einflusses der Nähe. Einfluss ist nicht unbedingt eine schlechte Sache, es hängt nur davon ab, wer wen beeinflusst. Es gibt den Einfluss des Aufwieglers und des Schülers, wobei wir die Stärke des Schülers nicht unterschätzen sollten. Er kann ein „lautes“ Statement abgeben, ohne ein einziges Wort zu sagen, und beeinflussen, ohne zu predigen.

Es gibt drei Lektionen für unser Leben, die Raschi hier anführt:

Es ist wichtig, dass wir uns darüber bewusst sind, wen wir als unseren Einfluss wählen, denn wir kennen zwei grundlegende Arten von Einfluss: Tora-Studium und Streit. Ich denke, dass alle anderen Arten von Einfluss irgendwie einer der zwei Arten unterzuordnen sind. Entweder inspirieren uns Ideale, oder wir sind in Groll und Ärger verfangen. Und diese zwei Einflussarten schließen sich gegenseitig aus.

Die zweite Erkenntnis ist feinsinniger. Wenn wir uns von Streitigkeiten fernhalten wollen, sollten wir zum anderen Extrem springen – dem Tora-Studium. Wollen wir umgekehrt die Tiefe und Klarheit unseres Verständnisses der Tora maximieren, sollten wir Zank und Streitigkeiten vermeiden. Es gibt nur das eine oder das andere.

(Leichter gesagt als getan, zumindest für mich.)

Die dritte Lektion gibt uns eine Leitlinie, wie wir der Verlockung widerstehen, in Streit involviert und gleichzeitig durch die Tora inspiriert zu sein. Der Schlüssel liegt in den Worten Raschis. „Es ist gut für den Gerechten und gut für seinen Nachbarn.“ Obwohl Raschi fortfährt, über den Einfluss des Tora-Studiums zu sprechen, nennt er Mose nicht einen Schüler, sondern einen Zaddik (Gerechten). Ein Zaddik ist nicht nur ein Schützling der Tora, sondern ein „G-tt Suchender“, einer der Tora lernt, um mit dem verbunden zu sein, der uns die Tora gab. Je mehr der Zaddik lernt, umso mehr Spiritualität lockt er hervor. Die Verbindung des Zaddik zu G-tt ist so offensichtlich, dass sein Einflussbereich sich in den Lehren erhebt. Mit einem Male verlieren Auseinandersetzungen ihre Anziehungskraft.

Wenn die Tora die Lagepläne der Stämme in der Wüste beschreibt, stellt sie die Kraft des Einflusses und der Überzeugungskraft anschaulich dar, und die verfügbare Stärke für diejenigen, die den Einfluss des Zaddik suchen.5