In der Toralesung dieser Woche hören wir noch einmal von den Zehn Geboten und werden daran erinnert, wie es bei der Gabe der Tora zugegangen ist. Im Zusammenhang damit heißt es, dass G-tt uns diese Gebote mitgeteilt hat "mit einer großen und nicht-wiederholten Stimme". Es ist wohl einleuchtend, dass die Stimme G-ttes nicht irgendeine, sondern eine ganz besondere Stimme ist. Die Frage, was wir uns genauer unter dieser besonderen Stimme vorstellen sollen, ist Gegenstand verschiedener rabbinischer Auslegungen.

Eine Interpretation sagt, dass die Stimme sich sozusagen in weitere Stimmen teilte, nämlich in allen Sprachen der Welt. Das heißt, dass G-ttes Worte nicht nur für einen Teil der Menschheit da sind, sondern letztlich alle etwas angehen. Gemeint sind da insbesondere die "sieben noachidischen Gebote", die für die ganze Menschheit gelten.

Es ist tatsächlich Aufgabe des jüdischen Volkes, die Menschheit von diesen sieben noachidischen Geboten zu überzeugen. Eine zweite Interpretation meint, dass die Stimme nicht aufgehört hat - sie wirkt noch weiter in den Prophezeiungen späterer Zeiten. Das, was wir von unseren Propheten erfahren haben, ist also nicht weniger wichtig, als die Tora selbst. Denn es ist die gleiche Stimme, die in ihnen spricht.

Diese beiden Erklärungen beschreiben deutlich die Größe des Ereignisses. Die Gabe der Zehn Gebote und der Tora waren eine so große Sache, dass sie in allen Sprachen und auch noch in späteren Zeiten Wirkung zeigte.

Stimme ohne Echo?

Es gibt auch noch eine dritte Sichtweise, die auf den ersten Blick ziemlich überraschend ist. Diese Auslegung erklärt, das Besondere an der Stimme sei gewesen, dass sie kein Echo hatte. Was soll das heißen?

Zunächst erscheint es seltsam, dass das Fehlen eines Echos als Ausdruck von Größe gilt. Im Gegenteil - je stärker die Stimme, desto größer das Echo. Oder nicht?

Bei näherer Betrachtung können wir jedoch erkennen, dass diese Binsenwahrheit nicht immer zutrifft. Denn - wie entsteht ein Echo? Indem es von einem Hindernis, das die Schallwellen nicht aufnehmen will, zurückgeworfen wird. So wie Lichtstrahlen von einem Spiegel reflektiert werden, und so wie ein Ball, den man gegen eine Wand wirft, wieder zurück kommt, so werden auch Schallwellen von undurchlässigem Material zurückgeworfen. Dadurch entsteht ein Echo.

Doch als G-tt die Zehn Gebote verkündete, war weit und breit auf der Welt nichts, das nicht die Worte G-ttes aufgenommen hätte. G-ttes Stimme konnte ungehindert in alles eindringen. Daher entstand kein Echo - es war nichts da, das den Schall zurückgeworfen hätte. Wir haben es bei diesem Fehlen eines Echos also nicht mit einem Wunder zu tun. Nein, es war eine ganz natürliche Sache. Es konnte kein Echo entstehen, G-ttes Stimme kommt überall hin.

Stimme ohne Echo? - so wird’s gemacht

Wenn wir Tora lernen, entsteht auch rund um uns eine Atmosphäre der Heiligkeit, verursacht von den heiligen Texten, die wir lernen. Wir sind heute nicht wirklich in der Lage das wahrzunehmen. (Abgesehen vom vagen Gefühl, dass etwas Besonderes in der Luft liegt, das Leute manchmal an heiligen Orten empfinden.)

In den Tagen des Messias werden wir jedoch auch diese Zusammenhänge erkennen können. Und es wird sich zeigen, dass etwas von unserem Tora-Lernen auch in die Wände unseres Hauses eingedrungen ist. Denn die Stimme G-ttes, die uns aus der Tora entgegen leuchtet, wird von keinem Material der Welt zurückgewiesen.