"Gier ist gut."
Das sagte eine Figur in einem Film. Es war eine spöttische Bemerkung über eine weit verbreitete Einstellung in den Achtzigerjahren: Gier treibt die Börse nach oben und steigert deshalb den Lebensstandard aller Menschen — eine Welle hebt alle Schiffe hoch.
Die Person im Film hat allerdings Gier mit Ehrgeiz verwechselt. Ehrgeiz ist der Wunsch, etwas besser zu machen, Gier ist der Wunsch, viel mehr zu haben, als wir brauchen, ohne Rücksicht auf andere Menschen.
Wir alle stimmen darin überein, dass diese materielle Gier falsch ist. Aber können wir auch im Streben nach Heiligkeit gierig sein? Das hört sich widersprüchlich an; denn Heiligkeit bedeutet, G-tt gehorchen, die Mizwot einhalten und anderen helfen. Kann man dabei gierig sein?
Demnächst wird Lag BaOmer gefeiert, den 33. Tag des Omerzählens. Einer der Gründe für diesen Feiertag ist die Erinnerung an das Ende einer Epidemie unter den 24.000 Schülern von Rabbi Akiwa. Dieser große Weise ist unter anderem für seine Aussage bekannt “Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Das ist eines der wichtigsten Gebote der Tora.”
Die Schüler des Rabbis bemühten sich, tief in seine Lehre einzudringen, aber jeder deutete sie ein wenig anders und folgte seinem eigenen Weg. Das führte zum Streit, denn jeder Schüler wollte Recht haben. Spätere Weise sahen darin ein Missachtung, die schließlich die Epidemie auslöste, der viele zum Opfer fielen.
Worin unterschieden sich Rabbi Akiwa und seine Schüler? Der Rabbi strebte nach Mesirut Nefesch, vollständigem Selbstopfer vor G-tt. Die Schüler waren gierig nach dem gleichen Zustand und wetteiferten darum, wer von ihnen heiliger sei.
Aber der Wunsch nach Mesirut Nefesch genügt nicht. Wir müssen auch die Mizwot in dieser Welt einhalten. Wenn wir beides tun, achten wir G–tt und unsere Nächsten.
Das ist der edelste Ehrgeiz.
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