Lag BaOmer, der 33. Tag von Omer, feiert die Jahrzeit von Rabbi Schimon Bar Jochai. Er war der Erste, der die mystischen Aspekte der Tora – die Kabbala - öffentlich verkündete, und er schrieb auch den Sohar, das grundlegende Werk zur Kabbala.
Die Kabbala ist „das Empfangene“, das, was wir nicht durch Forschung oder logisches Denken erfahren können. Die Kabbala ist ein inneres Wissen, das weise Männer seit Anbeginn der Zeit an ihre Schüler weitergegeben haben und das uns das Wesen aller Dinge bewusst macht.
Wenn wir in diese Welt kommen, nehmen unsere Sinne nur ihre äußere Schale wahr. Wir berühren die Erde mit den Füßen; unsere Haut spürt Wind und Wasser; und wir schrecken vor dem Feuer zurück. Wir hören Laute und Rhythmen, wir sehen Formen und Farben, wir messen, wiegen und beschreiben materielle Dinge präzise. Aber wir selbst, das Bewusstsein, das diese Welt ergründet, wohnen auf einer tieferen Ebene. Darum müssen wir fragen: Was war vor der Materie da, die wir untersuchen? Was ist Materie überhaupt, und was sind Energie, Zeit und Raum? Wie sind sie entstanden?
Wenn wir diese Welt erklären wollen, ohne die tiefere Ebene zu erforschen, gleichen wir einem Menschen, der einen Computer „erklärt“, indem er die Bilder auf dem Monitor beschreibt. Haben die Symbole auf der Bildlaufleiste wirklich Einfluss auf die Seite innerhalb des Fensters? Sind hinter der Menüleiste tatsächlich Pull-down-Menüs verborgen?
Der Designer einer benutzerfreundlichen Software hat präzise Regeln befolgt, damit wir bequem damit arbeiten können. Und wenn die Software komplex ist, musste er sehr viele Regeln einhalten. Dennoch kann eine Aufzählung dieser Regeln nicht die Software erklären. Dafür müssten wir den Code lesen, die Hardware untersuchen und vor allem den ursprünglichen Plan des Designers analysieren. Wir müssten alles so sehen, wie der Designer es gesehen hat, um zu verstehen, wie das Programm sich in seinem Kopf Schritt für Schritt entwickelt hat, bis zu den glühenden Punkten auf dem Bildschirm.
Es gibt einen Code hinter der Realität, eine Idee, die den Gleichungen Leben einhaucht und sie wirklich macht. Jede Kultur auf der Welt hat solche Codes. Bei den Juden sind sie in der Kabbala niedergelegt.
Es ist überliefert, dass schon Adam die Kabbala kannte. Er übermittelte einen kleinen Teil seines Wissens einige wenigen großen Seelen, die von ihm abstammten. Sie belehrten Noach, und dieser belehrte wiederum seine Schüler, darunter Awraham. Awraham studierte bei Schem, Noachs Sohn, und schickte auch seinen Sohn Jizchak zu Schem. Jizchak ließ seinen Sohn bei Schem und dessen Urenkel Ewer lernen.
Adam, Noach und Awraham waren die Väter der ganzen Menschheit. Darum finden wir in jeder Kultur Hinweise auf ihr Wissen. Dennoch ist weder Adam noch Noach noch Awraham die wahre Quelle der Kabbala. Die wahre Quelle ist das Ereignis am Berg Sinai. Dort wurde die Ur-Essenz des Kosmos einem ganzen Volk offenbart. Dieses Erlebnis hat in der jüdischen Seele unauslöschliche Spuren hinterlassen und unser Denken und Handeln bis zum heutigen Tag geprägt. Seither ist innere Weisheit nicht mehr auf Intuition angewiesen, und sie ist keine Privatoffenbarung mehr. Am Berg Sinai strömte diese Weisheit in die Welt und wurde zu einem Teil der Geschichte und der Erfahrung gewöhnlicher Sterblicher.
Darum kann man die Kabbala nicht als Philosophie bezeichnen. Eine Philosophie ist das Produkt eines menschlichen Geistes, mit dem ein anderer menschlicher Geist spielen und das er zusammenpressen oder dehnen kann, bis es seinem Denken und seiner Intuition zusagt. Doch die Kabbala ist das Offenbarte, und sie wurde nicht von einem menschlichen Lehrer offenbart.
Wer dieses empfangene Wissen verstanden hat, kann es erweitern, so wie ein Baum Äste entwickelt. Aber es wird immer organisch wachsen und sein wahres Wesen nie verlieren. Die Äste, Zweige und Blätter werden stets dort wachsen, wo sie hingehören. Niemals wird aus einer Buche eine Eiche werden, und kein Kenner der Kabbala wird je ein Geheimnis enthüllen, das nicht in den Worten seines Lehrers verborgen war.
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