Vor einiger Zeit erschien ein Buch über den historischen Wahrheitsgehalt der Tora. Es prüft alle anderen historischen Dokumente, die man gefunden hat, und vergleicht sie mit den Berichten und Personen der Bibel.

Warum?

Natürlich um die menschliche Neugier zu befriedigen, die eine unserer größten Gaben ist. Ohne Neugier hätten wir kein Interesse an Fortschritten. Die Autoren verglichen ihr Material Stück für Stück mit der Tora. Das ist sehr spannend, vor allem weil man so noch tiefer in die heiligen Schriften eindringen kann.

Schwieriger ist es jedoch, daraus korrekte Schlüsse zu ziehen. Die Autoren vergleichen z.B. die Geschichte von Josia, einem König von Juda im 7. Jahrhundert v.d.Z., mit dem Buch Exodus. Mosche und Josia stritten im Namen G–ttes mit Pharaonen. Die Autoren meinen nun, diese Geschichten seien vielleicht vermischt oder beim Schreiben der Tora geändert worden. Natürlich betrachten sie die Tora nicht als unveränderliches Ganzes, das G–tt uns gegeben hat, sondern als inspirierte Erzählung vieler Ereignisse und Einsichten, die im Laufe von Jahrhunderten aufgeschrieben wurden.

Doch selbst wenn man den Standpunkt der Autoren übernimmt, bleibt die Frage: Welcher Bericht ist „korrekt“? Einerseits haben wir eine überzeugende, fortlaufende Darstellung über Jahrhunderte hinweg, andererseits eine Sammlung archäologischer Befunde, die andere Deutungen erlauben. Wer könnte entscheiden, was richtig ist? Nun, jeder, der die Daten liest und interpretiert.

Wir wollen die Arbeit zweier seriöser Wissenschaftler nicht herabsetzen. Es ist keine Sünde, über die Bedeutung irgendeiner Stelle in der Tora nachzudenken. G–tt hat uns ja einen Verstand gegeben, der mehr tun kann, als Nahrung zu sammeln und eine Hütte zu bauen. Aber wenn wir an die Vollständigkeit, die Komplexität, die Weisheit und die unvorstellbare Tiefe der Tora denken, fragen wir uns: Wie kam die Tora zustande, wenn sie nur Menschenwerk war? Die Menschen hatten damals keine Druckerpresse, keine Bibliotheken zum Nachschlagen und nicht einmal die Zeit, um „Schriftsteller“ zu sein und die täglichen Nachrichten niederzuschreiben. Alle waren den ganzen Tag damit beschäftigt, am Leben zu bleiben.

Doch wenn wir die Tora in der Hand halten und irgendein Kapitel aufschlagen, etwa Ki Tisa, was finden wir? Einen ausgeklügelten Text nicht nur über das damalige Leben, sondern auch darüber, wie wir immer leben sollen; dazu viele Einzelheiten über Moral, Rechtschaffenheit und sogar Entspannung (am einzigartigen Schabbat). Kein anderer Text aus dieser Zeit (oder aus einer anderen Zeit) konzentriert sich so sehr auf den Zusammenhang zwischen täglichem Leben und Spiritualität.

Sehen wir uns einmal Ki Tisa genauer an. Hier geht es nicht nur um die Übergabe der Gebote, sondern auch um den Bund. G–tt verlangt etwas vom Volk und bietet ihm dafür Schutz und Frieden. Das war für unsere Ahnen unvorstellbar, da sie ja von Kulturen umringt waren, die an grimmige, strafende Götter glaubten. Anders sieht es aus, wenn sie mit dem Schöpfer selbst Kontakt hatten – und genau so war es! Die Tora ist keine „Geschichte“; sie ist ständige Gegenwart – und Zukunft.