Die Galut hatte ihren Anfang bereits mit der Zerstörung des Ersten Tempels und findet erst mit dem Kommen des Maschiach ihr Ende (auch das Zeitalter des Zweiten Tempels wird als Galut bezeichnet, da seine Heiligkeit nicht vollkommen war und ein Teil des jüdischen Volkes außerhalb Israels lebte). In der Galut muss das jüdische Volk unter dem Hass der Völker leiden, sich untergeben, und allem Anschein nach liegt ihre Hand über Israel.
Über diese Zeit prophezeit Bileam in unserem Wochenabschnitt: Er lässt sich nieder, streckt sich gleich Löwe und Leu, wer will ihn aufreizen? Während der Galut befindet sich das jüdische Volk im Zustand von lässt sich nieder und streckt sich in der Bedeutung von Unterdrückung und Ohnmacht. Seine Kräfte sind gebunden, es ist untergeben – so ist der Zustand Israels in der Galut.
Unbändig
Aber auch während der Galut, in der Israel „auf der Erde liegt“, wird es mit Löwe und Leu symbolisiert. Hier ist nicht die Rede von einem Mangel an Kraft; es sind Löwe und Leu, die sich niederlassen, und deren Stärke bleibt auch dann bewahrt. Im Sohar steht Ausführlicheres: „Der Löwe ist kräftig, und so ist Israel kräftig, auch während der Galut“.1
Das heißt, auch in dieser Zeit haben die Völker über Israel nicht wirklich die Oberhand. Der Löwe akzeptiert keinen Gebieter über sich, wie die Halacha feststellt: Ein Löwe kann nicht domestiziert werden. Er wird immer unbändig bleiben und jedem trotzen, sodass niemand über ihn wirklich Kontrolle haben kann.
Aber nicht die Seele
So auch verhält es sich mit dem jüdischen Volk: Es ist doch wahrlich eine Kuriosität, wie das auserwählte Volk G-ttes unter der Herrschaft anderer liegen kann, außer der G-ttes? Das liegt nur daran, weil der Wille G-ttes das jüdische Volk in jenen Zustand versetzt hat.
Jedenfalls bezieht sich all dies nur auf die irdische Seite Israels; auf diesem Gebiet herrschen womöglich die Völker der Welt während der Galut über Israel; doch was sein eigentliches Wesen angeht, so bestimmt keine Galut über die Seelen der Juden und nicht über deren Aufgabe. Die Schwierigkeiten der Galut sind kein wirkliches Hindernis beim Erfüllen der Thora und ihrer Mitzwot!
Der Sechste Lubawitscher Rebbe2 lehrte einst3, dass nur der Körper des Juden den harten Bedingungen der Galut ausgesetzt sei, die jüdische Seele aber niemals in die Galut geschickt wurde! Deshalb müssten wir laut ausrufen, dass bezüglich unseres Glaubens, unserer Thora und Mitzwot und aller jüdischen Traditionen kein Fremder die Bestimmung hat, und keine Kraft auf der Welt könne daran etwas verändern!
Wunder erinnern uns
Manchmal scheint uns, dass die Welt mit dem jüdischen Volk ihr Spiel treibt und die Völker der Welt über den „Löwen“ herrschen. Aber das ist eben die große Illusion der Galut, die dieses fälschliche Bild bewirkt. Deshalb zeigt uns G-tt während der Galut von Zeit zu Zeit Wunder – wahre Wunder –, die jenen trügenden Schleier zerreißen und uns immer daran erinnern, dass nur Er über die Welt bestimmt!
Jene Wunder, die in jeder Generation stattfinden (z.B. die plötzliche Aufhebung der vom Sowjetregime verhängten Todesstrafe über den Sechsten Lubawitscher Rebben, wegen seines Kampfes gegen den Antijudaismus – bis zu seiner völligen Freilassung am 12./13. Tammus 5678, vor ca. 80 Jahren; oder der wunderliche Sieg Israels im Sechs-Tage-Krieg), zerschlagen in gewissem Maße die Finsternis der Galut, sodass alle Welt selbst erkennt, dass das Volk Israel tatsächlich „Löwe“ und „Leu“ ist, und auch wenn es sich niederlässt und hinlegt, so hat in Wirklichkeit Israel die Oberhand und nicht die Galut über G-ttes Volk!
(Likutej Sichot, Band 2, Seite 337)
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