Unser Wochenabschnitt erzählt uns von den erfolglosen Versuchen des Hexers Bileam, das jüdische Volk zu verfluchen.1 Immer, wenn er dabei war, seinen Fluch auszusprechen, legte ihm G-tt Worte des Segens in den Mund. Beim dritten Versuch begab er sich auf den Berg Peor, von dem aus die Lagerstätte des jüdischen Volkes gut sichtbar war. Doch als er auf das jüdische Volk blickte, war er so begeistert, sodass er sagte: Wie schön sind deine Zelte Jakow, deine Wohnstätten Israel!2

Was begeisterte Bileam so sehr? Raschi erklärt3, dass ihn zwei Dinge zutiefst bewegten:

Er sah jeden Stamm für sich lagernd und nicht vermischt; Er sah, dass die Eingänge ihrer Zelte nicht einander gegenüber waren, sodass einer nicht in das Zelt des anderen sehen konnte.

Dies erklärt auch den begeisterten Ausruf Bileams: Wie schön sind deine Zelte Jakow, deine Wohnstätten Israel! Mit „Wie schön sind deine Zelte Jakow“ bezog sich Bileam auf die Eingänge der Zelte, die nicht einander gegenüber waren und mit, „deine Wohnstätten Israel“, bezog er sich darauf, dass jeder Stamm für sich lagerte.

Zniut auch in Ägypten

Diese zwei Besonderheiten, die Bileam beim jüdischen Volk anpries, bringen die große Zniut (Keuschheit) Israels zum Ausdruck. Zniut bedeutet u.a. die Bewahrung der Intimität im Eheleben und der eigenen Intimität (durch dezente Kleidung).

Die erste Besonderheit ist „Wie schön sind deine Zelte Jakow“: Das Volk achtete sehr auf Intimität. Deshalb waren die Eingänge der Zelte nicht einander gegenüber, damit niemand in das Zelt des anderen sehen konnte.

Darüber hinaus war die Besonderheit „Wie schön sind die Wohnstätten Israels“: Jeder Stamm achtete auf seine Abstammung. Seine Abstammung genau zu wissen und nachverfolgen zu können, zeigt auf, wie achtsam das jüdische Volk damit war, sich nicht unter andere zu vermischen, nicht einmal unter den eigenen Stämmen.4 Dies zeugt von einem großen Maß an Zniut, vor allem wenn man bedenkt, dass das jüdische Volk in Ägypten über 200 Jahre versklavt war. Bileam war davon sogar so fasziniert, dass er das Volk nicht einmal mehr verfluchen wollte!

Die Kraft kleiner Schritte

Daraus wird ersichtlich, welch große Bedeutung und große Kraft die Zniut hat. Denn bereits etwas Kleines in dieser Richtung, wie darauf zu achten, dass die „Eingänge nicht einander gegenüber sind“, hatte die Kraft, sogar auf den bösen Bileam einzuwirken, das jüdische Volk nicht zu verfluchen und sogar segnen zu wollen!

Man soll nicht glauben, dass Zniut nur bei großen Angelegenheiten wichtig ist, wie wenn es um die Abstammung oder eine „koschere“ Nachkommenschaft geht. Doch bei kleinen Angelegenheiten muss man mit Zniut nicht so genau sein. Aus dem Wochenabschnitt lernen wir aber, dass Zniut auch bei den kleinen Dingen ist und sogar so gewichtig sind, bis sie Schlechtes in Gutes verwandeln können!

Nicht nur im Alltag

Man könnte aber dennoch glauben, dass ein sorgfältiger Umgang mit Zniut zwar der Regelfall sein muss, doch in Ausnahmefällen muss man darauf nicht so genau schauen. Darauf erwidert unser Wochenabschnitt: Auch wenn das jüdische Volk sich in „seinen Zelten“ befindet (auf der Reise, ein Ausnahmezustand, ähnlich mit dem Urlaub im Ferienhaus) ist dennoch auf jedes Detail von Zniut zu achten.

Durch ein ordnungsgemäßes Verhalten in Zniut, wendet G-tt alles Schlechte vom Menschen ab und überschüttet ihn mit Seinem unbegrenzten Segen. Und auch bereits eine Stärkung in Zniut bewirkt Großes und beschleunigt die vollkommene Erlösung!

(Likutej Sichot, Band 13, Seite 78)