Nachdem die Krankheit des Aussätzigen allmählich von ihm gewichen ist und er die Tage seiner Isolierung beendet hat, liegt es an ihm nun ein Opfer darzubringen. Jenes richtet sich nach der finanziellen Lage des Aussätzigen. Wenn er wohlhabend ist – so bringt er ein größeres Opfer dar; und wenn arm, so sei seine Gabe ein dementsprechend dürftiges Opfer.
Die Thora aber ermöglicht auch, dass jenes Opfer des Aussätzigen sogar durch einen anderen dargebracht werden kann. Wie verhält es sich also, wenn ein Wohlhabender es auf sich nimmt ein Opfer für den Bedürftigen darzubringen, oder umgekehrt?
Rambam schreibt: „Wenn der Reiche sprach: Das Opfer jenes Aussätzigen sei auf meine Kosten, und jener war arm – so bringe er für den Aussätzigen das Opfer eines Reichen, da sein Vermögen dafür ausreicht. Und wenn der Arme sprach: Das Opfer jenes Aussätzigen sei auf meine Kosten, und jener war reich – so bringe er für den Aussätzigen das Opfer eines Reichen, da der Reiche für sich selbst auch ein solches Opfer dargebracht hätte“.1
Wer für wen?
Der Gesetzesschluss von Rambam scheint jedoch unverständlich: Derjenige, der das Opfer spendet, tritt an die Stelle des Aussätzigen, und somit müsste die Pracht des Opfers von dem Vermögen des Aussätzigen abhängen und ganz bestimmt nicht von dem des Spenders. Weshalb setzt Rambam dann fest, dass es bei einem bedürftigen Aussätzigen, dessen Opfer ein Reicher darbringt, ein prächtiges sein muss, obwohl es für einen Armen dargebracht wird?
Diese Problemstellung aber führt uns zu einer viel grundlegenderen Frage, nämlich der Möglichkeit laut der Thora für jemand anderen ein Opfer darzubringen. Die Pflicht der Opferdarbringung und den Nutzen aus dem Opfer hat doch nur jener, der dieses Opfer nötig hat, wenn er eine Sünde begangen hat, oder wenn es in unserem Fall zur Sühne (Reinheit) dient. Welchen Nutzen hat die Opferung dann durch jemand anderen?
Gegenseitige Verantwortung
Hiermit stellt die Thora eine Faustregel auf: „Jeder Jude trägt für seinen Nächsten Verantwortung“!2 Wegen der gegenseitigen Verantwortung kann der eine für seinen Nächsten ein Opfer darbringen und so seine Sünde sühnen (nachdem der Betroffene aufrichtige Tschuwa gemacht hat).
Sobald der Jude dies auf sich nimmt: „Das Opfer jenes Aussätzigen sei auf meine Kosten“, offenbart er dadurch, dass er und der Aussätzige so gut wie dieselbe Person sind. Diese Bindung drückt sich in der oben genannten Halacha aus: Wenn ein Reicher das Opfer des Armen auf sich nimmt, bringt er ein prächtiges Opfer dar – da er in diesem Moment selbst der Aussätzige ist; und wenn er arm und der Aussätzige reich ist, trägt er – da sie miteinander vereint sind – all jene Verpflichtungen wie der Reiche selbst und muss somit ein reiches Opfer darbringen.
Die Kraft der Vereinigung
Diese Halacha zeigt uns, wie stark und mächtig der Zusammenhalt unter dem jüdischen Volk sein kann; so sehr, dass sogar jemand, der vielleicht den Aussätzigen kaum kennt, dessen Schuld bei G-tt selbst begleichen kann, und G-tt nimmt die Sühne für den Aussätzigen durch jenes Opfer an! Und nicht nur der Reiche kann für den Armen ein Opfer bringen (weil er es sich nicht leisten kann), sondern sogar der Arme kann die Schuld des Reichen begleichen.
Die Vereinigung des jüdischen Volkes und die daraus resultierende gegenseitige Verantwortung liegen in der Tatsache, dass alle Juden einem Körper gleichen. Die Erkrankung eines Gliedes wirkt sich auf den ganzen Körper, auf alle Juden, aus. Und bei der Genesung eines Gliedes, sobald ein Jude bereit ist für seinen Nächsten ein Opfer darzubringen, wird der ganze Körper gestärkt. Und so weit geht die Verbundenheit, dass selbst dem armen Mann, sobald er sich entschließt seinem Nächsten, der reich ist, zu helfen, G-tt die Mittel des Reichen gibt, sodass er sein gutes Versprechen ein Opfer für den Reichen zu bringen, in wahrem Reichtum erfüllen kann!
(Likutej Sichot, Band 27, Seite 88)
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