Nachdem der Aufbau des Tabernakel (Stiftshütte) vollendet war, ordnete Moses die Erstellung einer detaillierten Rechnung von allen Metallen an, die für diesen Bau gespendet wurden.1 Moses tat dies, um auch in den Augen des jüdischen Volkes "unbescholten zu sein".2 Wir lernen daraus, dass sich ein Mensch so verhalten soll, dass er über jeden Vorwurf sowohl G-tt als auch seinen Mitmenschen gegenüber, erhaben ist. Im gleichen Sinne legt Rabbi Jehuda HaNassi fest3: "Was ist der richtige Weg, den der Mensch wählen soll? Alles, was in Einklang steht, mit demjenigen, der ihn beschreitet, aber auch für die Menschheit um ihn herum."

Aus diesem Grund wurden mehrere Sicherheitsmaßnahmen getroffen, wenn der Kohen (Priester) die Tempelschatzkammer betreten würde, um von dort die benötigten Beträge zu entnehmen. Der Kohen trug keine Schuhe und an seinen Kleidern waren keinerlei Taschen angebracht, um zu versichern, dass das Verstecken einer illegal bezogenen Münze für ihn einfach unmöglich war. Zudem führte er die ganze Zeit seines Aufenthaltes in der Schatzkammer ununterbrochen Gespräche, so dass man ihn auch nicht verdächtigen könnte, Münzen im Mund zu verstecken. Darüber hinaus wurde darauf geachtet, niemals einen verarmten oder geldgierigen Priester für diese Aufgabe zu wählen, um jeden Verdacht möglichst auszuschließen.4

Weitere im Tempel ergriffene Vorsichtsmaßnahmen:

  • Es war unmöglich, jene die Schaubrote backenden Menschen zu verdächtigen, vom Mehl des Heiligen Tempels zu stehlenDie Familien, die für das Backen der Schaubrote für den Heiligen Tempel zuständig waren, achteten darauf, zu Hause niemals weißes Brot zu essen, so dass sie nie in den Verdacht kommen konnten, vom Mehl des Heiligen Tempels genommen zu haben.5
  • Die Familien, die für das Zerreiben und Vorbereiten der Räuchermittel zuständig waren, achteten darauf, niemals Parfüm zu benutzen, so dass sie nie in den Verdacht kommen konnten, vom Räucherwerk des Tempels genommen zu haben.6

Keinen Verdacht erregen beim Einsammeln und Weiterverteilen von Almosen

  • In alten Zeiten, als zum Sammeln für den Wohltätigkeitsfonds der Gemeinde von Haus zu Haus gegangen wurde, achteten die Spendensammler darauf, immer "paarweise" zu gehen, so dass der eine stets den andern "beaufsichtigen" konnte. Der Fondsvertrieb wurde von einer Gruppe von drei Menschen beaufsichtigt.7
  • Ein verlässlicher Almhofer ist nicht verpflichtet, über die genaue Verteilung der Almosen Buch zu führen,8 doch ist es besser, es trotzdem zu tun. Ist seine Ehrlichkeit umstritten, ist er verpflichtet, Buch zu führen.9
  • Spendensammler sollten es vorziehen, Fremdwährungen, die sich in ihrem Wohltätigkeitsfonds befinden, durch Dritte umtauschen zu lassen, z.B. bei einer Bank. Führen sie den Tausch selbst aus, könnte die Meinung entstehen, dass sie sich beim Umtauschen vorsätzlich zu ihrem Vorteil verrechneten.10
  • Verwalter von Wohltätigkeitsfonds sollten beim Verteilen der Almosen keine Familienmitglieder oder Freunde bevorzugen.11

Mar'it Ajin

Mar'it Ajin (Augenschein) bedeutet, bei jeder Handlung darauf zu achten, dass niemals der Eindruck entsteht, wir würden etwas Verbotenes tun. So dürfen wir auch nicht den Anschein erwecken, dass es sich um etwas Verbotenes handelt, denn unser Tun verstößt ja in Wirklichkeit gar nicht gegen die Halacha. Kompliziert wird es erst, wenn unser Tun normalerweise verboten ist, in diesem Moment aber auf eine erlaubte Weise ausgeführt werden muss. Denn wenn diese Aktivität normalerweise erlaubt ist, brauchen wir uns nicht zu sorgen, jemand könnten denken, dass wir Verbotenes tun.12

Hier sind einige Beispiele aufgeführt.

Wenn es darum geht, einem Nichtjuden zu erlauben, bezahlte Arbeit für einen Juden am Schabbat auszuführen:

  • Dem nicht-jüdischen Handwerker ist es nicht zu erlauben, auf dem einem Juden gehörenden Grundstück Arbeiten zu verrichten, die dem Juden am Schabbat verboten sind, - selbst wenn der Handwerker für diese Arbeit bezahlt wird und nicht gebeten wurde, sie ausgerechnet am Schabbat auszuführen.13 Eigentlich wäre das erlaubt, doch könnte jemand denken, dass hier der Jude gegen die Halacha verstößt. Und diesen Verdacht zu erwecken, ist nicht erlaubt
  • Wenn wir ein Haus bauen, dürfen wir es den Arbeitern nicht erlauben, am Schabbat daran zu bauenEin Jude darf es den Arbeitern nicht erlauben, am Schabbat an seiner Wohnung zu bauen, selbst wenn er selbst nicht in dieser Wohnung lebt. Das gilt auch, wenn die Arbeit vertraglich festgelegt und keine Anweisung gegeben wurde, speziell am Schabbat zu arbeiten. Denn die Nachbarn kennen diese vertraglichen Vereinbarungen nicht und könnten daher Verdacht schöpfen.14 Das Gesetz von Mar'it Ajin lautet jedoch anders, wenn das Haus einem Juden gehört, der sich außerhalb der Stadt befindet. Ist kein Jude in der Umgebung und die Arbeit vertraglich geregelt, können Bauarbeiten sogar am Schabbat durch die nicht-jüdischen Arbeiter ausgeführt werden.15

Wenn es sich um Essen oder Trinken handelt:

  • Es ist verboten, Fischblut zu trinken, es sei denn, dass ein paar Fischschuppen sichtbar im Glas schwimmen. Sonst aber riskieren wir, dass es für das verbotene Blut von Landtieren gehalten wird.16
  • Rabbi Mosche Isserlis schreibt,17 dass beim Fleisch-Kochen in Mandelmilch Mandeln dazu zu legen sind, so dass niemand denkt, es würde gegen das Verbot, Fleisch und Milch zusammen zu kochen und zu essen, verstoßen.18

Trotzdem schreibt Rabbi Owadia Josef,19 dass ein Restaurant selbst nach einer fleischigen Mahlzeit eine pflanzliche Kaffeesahne zum Kaffee servieren darf. Pflanzliche Kaffeesahne und pflanzliche Milch sind sehr gebräuchlich, und der Kaffee wird erst nach dem Fleischverkehr gereicht. Das Fleisch wird mit nicht direkt mit der Milch zusammen genossen.

Rabbi Avraham Tzvi Wozner aus Monsey, New York sagt, dass jede pflanzliche Milch und jeder pflanzliche Käse gemeinsam mit Fleisch gegessen werden darf. Dank der großen Verbreitung pflanzlicher Produkte schöpft niemand Verdacht, dass sie milchig sein könnten.

  • Rabbi Mosche Feinstein20 hat entschieden, dass wir in einem nicht-koscheren Restaurant auf keinen Fall Fleisch essen dürfen, selbst wenn versichert wird, dass die servierte Mahlzeit koscher ist.

Weitere Verbote:

  • Es heißt, dass wir während der Neun Tage, in denen das Kleiderwaschen verboten ist, unsere Kleider nicht in die chemische Reinigung bringen dürfen, selbst wenn wir anordnen, die Wäsche nicht vor dem Ausgang der Neun Tage zu waschen. Allerdings kann es auch unter der hier erwähnten Bedingung erlaubt sein.21
  • Es ist verboten, am Schabbat Kleider zum Trocken am speziell dafür bestimmten Platz, z.B. auf der sonst üblichen Wäscheleine, aufzuhängen, denn die Nachbarn könnten denken, dass wir die Kleider am Schabbat selbst gewaschen haben.22

All diese Aktivitäten dürfen nicht einmal in der Privatsphäre durchgeführt werdenAll diese Aktivitäten dürfen nicht einmal in der Privatsphäre und unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden oder wie es die Halacha ausdrückt, in einem Zimmer, wo uns niemand sieht.23 Handelt es sich jedoch um eine Aktivität, die lediglich als ein rabbinisches Verbot interpretiert werden kann, dann ist es im Gegensatz zum Verstoß gegen ein Tora-Gesetz erlaubt, diese Aktivität in der Privatsphäre auszuführen.24

Rabbi Mosche Feinstein schreibt,25 dass die Gesetze von Mar'it Ajin nicht unbedingt von einem Fall auf den anderen abgeleitet werden können. Denn einige Aktivitäten laufen eher Gefahr, fälschlich für eine verbotene Handlung gehalten zu werden. Aus diesem Grund:

  • Eine verheiratete Frau darf eine Perücke tragen, ohne sich zu sorgen, was andere darüber denken, ob sie ihre Haare bedeckt oder nicht. Da in den meisten Fällen zwischen Perücke und natürlichem Haar unterschieden werden kann, haben unsere Weisen die Regeln von Mar'it Ajin nicht auf diesen Fall angewendet, trotz der Tatsache, dass Irrtümer entstehen könnten. (Siehe dazu Was ist mit der Perücke? für weitere Gründe, warum die Frauen ihr Haar verdecken.)
  • Wer die halachische Ansicht befolgt, dass die Rasur mit einem elektronischen Rasierapparat erlaubt ist, darf sich gemäß Halacha rasieren und braucht sich nicht darum zu kümmern, ob ihn jemand des Benutzens einer Rasierklinge verdächtigt, - was gegen ein Tora-Gesetz verstoßen würde. Früher war der Unterschied zwischen der Rasierapparat-Rasur oder einer viel glätteren Rasierklingen-Rasur leichter festzustellen. Deshalb haben die Weisen keine Verfügung gegen koschere Rasierapparate erlassen. Konsumenten behaupten, dass koschere Rasierapparate ausgezeichnete Resultate erzielen, so dass es jetzt keine Umstellung mehr bedeutet, die Rasur auf eine koschere Weise auszuführen und so dieses Tora-Gesetz zu beachten.