Es ist eine große Mizwa, einem bedürftigen Mitmenschen ein Darlehen zu gewähren. Wie wir das in Deuteronomium lesen1: "Falls es bei dir einen bedürftigen Menschen geben soll, einen deiner Brüder in einer deinen Städte, in deinem Land, das der Ewige, dein G-tt dir gibt, sollst du dein Herz nicht hart werden lassen und deine Hand nicht vor deinem bedürftigen Bruder schließen, sondern du sollst sie ihm öffnen und ihm genug ausleihen, um seine Bedürfnisse zu decken."
Die Mizwa des Darlehens wird in Exodus ebenfalls erwähnt2: "Wenn du meinem Volk Geld leihst, dem Armen, der sich in deiner Mitte befindet, sollst du dich ihm gegenüber wie ein Darlehensgeber verhalten; du sollst von ihm keine Zinsen verlangen." Daraus lernen wir, dass das Gewähren eines zinsfreien Darlehens in Wirklichkeit ein Tora-Gebot ist. Das bleibt wahr trotz der Tatsache, dass der Darlehensgeber das Geld in dieser Zeit hätte benutzen können, um in einer Bank Zinszuwachs zu bekommen oder es auf irgendeine andere Weise zu investieren.3
Das Gewähren eines Darlehens ist eine der Mizwot, für die wir in dieser Welt sowie in der kommenden Welt belohnt werden.4 Es wird sogar als eine größere Mizwa betrachtet, als Almosen zu spenden,5 da es für den Bedürftigen weniger beschämend ist, ein Darlehen zu bekommen, als ein Almosen. Dazu kommt noch, dass wir es durch das Zur-Verfügung-Stellen einer Anleihe vermeiden können, dass ein Mensch überhaupt in die Armut abrutscht.6
Besitzen wir eine bestimmte Geldsumme und erhalten zwei Anfragen, die eine für Almosen, die andere für ein Darlehen, sollen wir das Geld für das Darlehen verwenden. Die um Almosen bittende Person ist es wahrscheinlich schon gewohnt, betteln zu gehen und wird nicht zögern, noch jemanden darum zu bitten, während die ein Darlehen verlangende Person sich womöglich schämt, eine solche Anfrage zu stellen und sicher keinen anderen kennt, an den sie sich wenden könnte.7
Um sicherzustellen, dass jene, die eine Anleihe brauchen, diese auch bekommen können, sollte sich jede jüdische Gemeinde bemühen, einen Fond für zinsfreie Ausleihen zu gründen. Jedes Gemeindemitglied sollte diesem Fonds Geld spenden, um bedürftigen Mitgliedern der lokalen Gemeinde zinsfreie Darlehen zu bewähren. Wer in diesen Fonds spendet, führt mit seinem Geld ununterbrochen Mizwot aus, selbst wenn er schläft, isst... Wer diesen Fonds verwaltet, wird dafür reich belohnt werden, wie es der Vers sagt8: "Wer Wohltätigkeit und Güte verfolgt, soll ein langes Leben, Barmherzigkeit und Ehre finden."9
Folgende Gesetze beziehen sich auf diese Mizwa:
Wem soll ein Darlehen gewährt werden
- Wenn wir uns entscheiden müssen, wer das Darlehen bekommt, sollen wir der eigenen Familie den Vorrang geben, danach kommen die Gemeindemitglieder der eigenen Stadt, danach die Juden in Israel und danach die Juden in der restlichen Welt.10
- Es ist auch gut, Nichtjuden ein Darlehen zu gewähre,11 doch ist es erlaubt, von einem Nichtjuden Zinsen zu verlangen.12
- Es ist auch eine Mizwa, einer reichen Person Geld zu leihen, wenn sie es braucht,13 doch sollten wir dabei natürlich der armen Person den Vorrang geben.14
- Wenn jemand gebeten wird, einen Betrag zu leihen, den er sich leisten kann, ist er verpflichtet, das zu tun – solange die Summe nicht ein Fünftel seines Vermögens übersteigt.15 Mehr ist niemand verpflichtet, als Anleihe zur Verfügung zu stellen.
- Diese Verpflichtung bezieht sich jedoch nicht auf den Fall, wenn der Darlehensgeber sich nicht sicher ist, ob die betreffende Person ihm die Anleihe jemals rückerstatten wird.
- Es ist besser, keine Anleihen an Personen zu geben, die nicht dazu imstande sein werden, diese später zurückzuzahlen,16 um zu vermeiden, die Rückerstattung einer Schuld zu verlangen, die nicht bezahlbar ist, denn das ist gemäß Halacha verboten (siehe unten).
- Es ist ebenfalls eine Mizwa, Gegenstände auszuleihen. Obwohl das eigentlich nicht zur Mizwa, Geld auszuleihen gehört. Aber es ist eine allgemeine Mizwa von Ahawat Israel, die Liebe unseres Nächsten.17
Das (schriftliche) Festhalten des Darlehens
- Wir müssen das Darlehen in einem angemessenen Dokument schriftlich festhalten. Das ist selbst zwischen Freunden oder Tora-Gelehrten wichtig. Ohne schriftliche Unterlage könnte eine der Parteien versehentlich vergessen, je ein Darlehen erhalten zu haben.18
- Wir können auch andere Menschen bitten, uns als Zeugen zu dienen. Doch ist eine schriftliche Dokumentation vorzuziehen, da wir sicher sein können, ob sie auch am gleichen Ort wohnen bleiben.19
Wie darf der Darlehensnehmer das Darlehen benutzen
- Ein Darlehensnehmer darf das Geld nicht durch risikoreiche Investitionen verschleudern, es sei denn, er habe den Darlehensgeber schon im Voraus über seine speziellen Absichten informiert.20
- Auf dieselbe Weise darf der Darlehensnehmer das Geld nicht für Unnötiges verschwenden, so dass er die Anleihe am Schluss nicht mehr zurückzahlen kann.21
Die Pflicht das Darlehen zurückzuzahlen
- Sobald das Darlehen zur Rückzahlung fällig wird,22 ist der Darlehensnehmer verpflichtet, das Geld zurückzuzahlen. Salomon sagt23: "Sag deinem Nächsten nicht 'geh nach Hause und komm morgen wieder vorbei, und morgen werde ich es dir geben,' wenn du es bei dir hast."
- Wenn der Darlehensnehmer das Geld nicht hat, sollte er sein Besitztum und sogar sein Haus verkaufen, um das Darlehen zurückzuzahlen. Er darf nur das Nötigste für sich bewahren.24
- Wir sollten sogar unsere heiligen Bücher und selbst die Tora-Rolle verkaufen, um ein Darlehen zurückzuzahlen.25
Falls die Anleihe nicht zurückgezahlt werden kann
- Kann ein Mensch sein aufgenommenes Darlehen jedoch nicht zurückzahlen, weder bar oder durch sein Hab und Gut, kann er nicht gezwungen werden, arbeiten zu gehen, um seine Schulden zu bezahlen.26
- Trotzdem, solange jemand seine Schulden nicht beglichen hat,27 wird er als ein schlechter Mensch bezeichnet, der Geld borgt, es jedoch nicht zurückzahlt.28 Um diesen üblen Ruf zu vermeiden, sollen wir uns in einer solchen Situation bemühen, arbeiten zu gehen, um alle Darlehen zurückzuzahlen.29
- Alles Geld, das durch die Arbeit hereinkommt, dient der Rückzahlung der Schulden, mit Ausnahme des Geldes zur Deckung der grundlegendsten Bedürfnisse des Darlehensnehmers.30
- Jedes Geschenk, das der Darlehensnehmer bekommt, muss zur Zurückzahlung der Schulden genutzt werden, es sei denn, der Geber habe ausdrücklich bestimmt, dass es nicht zu diesem Zweck verwendet werden soll.31
- Wer Geld zur Rückerstattung des Darlehens auf der Seite hat, darf nicht in Urlaub fahren oder es für andere Zwecke verwenden, als für seinen Grundbedarf.32
- Es ist ebenfalls unangebracht, das Geld für wohltätige Zwecke einzusetzen, bevor die Schulden beglichen sind.
Den Schuldner unter Druck setzen
- Wenn der Leihgeber weiß, dass der Schuldner nicht genug Geld oder Besitztümer hat, um das Darlehen zurückzuzahlen, darf er ihn nicht unter Druck setzen, seine Schulden zu bezahlen.33
- Er soll sogar darauf achten, dem Schuldner nicht absichtlich zu begegnen, da ihn ein solches Treffen an die fällige Rückzahlung seiner Schulden erinnern könnte.34
Das Einziehen von Sicherheiten
- Obwohl es erlaubt ist, eine Sicherheit zu verlangen, sind wir verpflichtet, das Darlehen auch dann zu gewähren, wenn der Darlehensnehmer keine Sicherheit geben kann.35
- Wer die Sicherheit zur Rückerstattung der Anleihe benutzen will, muss diese Angelegenheit zuerst durch ein Bejt Din (Rabbinisches Gericht) beurteilen lassen. Diese Sicherheit muss danach an einen Dritten verkauft werden und der Darlehensgeber darf nur so viel Geld, wie zur Deckung der Schulden gebraucht wird, für sich behalten. Es müssen mindestens 30 Tage ab Fälligkeit der Entgeltforderung vergangen sein, um dieses Verfahren anzuwenden.36
- Wenn der Darlehensgeber dieses Verfahren umgehen möchte, sollte er zum Zeitpunkt der Darlehensgabe die Bedingung stellen, falls die Anleihe nicht rechtzeitig zurückgezahlt wird, dass sein Besitztum als Sicherheit dient, und zwar rückwirkend von dem Zeitpunkt an, an dem das Darlehen aufgenommen wurde.37
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