1. Der Anfang des Wochenabschnitts ist „Wenn ihr in Meinen Satzungen wandelt…“. Die Gemara sagt1, dass dies nur in als flehende Bitte gesagt wurde, d.h. dass die Wortwahl nicht eine Bedingung in der Form Wenn – Dann ausdrückt, wie es an vielen anderen Orten und auch in diesem Wochenabschnitt der Fall ist – „wenn ihr nicht auf mich hört…“. Anders aber bei „Wenn ihr in meinen Satzungen wandelt…“, mit dem G“tt die Juden förmlich anfleht: wandelt in meinen Satzungen, bemüht euch um die Tora2. Dieses Bitten und Fordern verleiht eine Kraft, welche sich als Versprechen ausdrückt3: „niemand wird zurückgewiesen, wie weit entfernt er auch sei.“

2. Beide Aspekte – die Forderung und das Versprechen – finden wir auch im Gebot „Liebe den Ewigen, deinen Herren“, welches der Alter Rebbe auf zwei Weisen deutet4: a) du sollst Ihn lieben, und b) du wirst ihn lieben. Auch dort sind beide Deutungen miteinander verbunden: wenn von uns etwas gefordert wird, dann liegt es auch in unseren Kräften, es zu erreichen.

Die Liebe ist die Wurzel aller 248 positiven Gebote, zu denen auch das Gebot der Ehrfurcht vor G“tt gehört, welches wiederum die Wurzel der 365 negativen Gebote ist5. Daher ist die Liebe G“ttes die Wurzel aller 613 Gebote, und ebenso wie diese Liebe mit einer Forderung und einem Versprechen verbunden ist, so sind dies alle anderen Gebote auch: Wenn (Bitte und Versprechen) ihr in meinen Satzungen wandelt, so werdet ihr sie hüten und befolgen.

3. Es gibt eine weitere Deutung für „Meine Satzungen“6, nämlich, dass sich dies auf die Gebote bezieht. Es gibt drei Arten von Geboten: Satzungen, Zeugnisse und Gesetze. Gesetze sind jene Gebote, welche die Vernunft gebieten würde, auch wenn sie nicht in der Tora stünden. Zeugnisse sind jene Gebote, welche zwar nicht von der Vernunft geboten werden, nachdem sie nun aber von der Tora gefordert wurden, kann die Vernunft sie beherbergen. Satzungen sind jene Gebote, welche sich der Vernunft in keiner Weise erschließen, wie die Gebote von Schatnes, roter Kuh u. dgl.

Dass nun der Vers „Meine Satzungen“ sagt und damit alle Gebote, einschließlich der Gesetze und der Zeugnisse meint, deutet darauf hin, dass man alle Gebote – auch wenn sie sich der Vernunft erschließen – als Pflicht auf sich nehmen muss, denn dies ist es, was die Satzungen auszeichnet: „eine Satzung bestimmte Ich und ein Urteil legte Ich fest.

Und obwohl das Erfüllen der Gebote nicht aus Vernunftgründen, sondern als Aufsichnahme einer Pflicht erfolgt, so ist es doch von großem Genuss begleitet, wie aus den Ausführungen zum Unterschied zwischen einem einfachen und einem treuen Diener bekannt ist, dass der Genuss des Dieners der Genuss des Herren ist7.

Dies wird mit dem Wort „wandeln“ angedeutet, denn während „meine Satzungen“ die Verpflichtung andeutet, so bezieht sich das Wandeln auf eine unbegrenzte Entwicklung8, die nicht von inneren und begrenzten Kräften herrühren kann, sondern nur von der umgebenden Kraft, dem Genuß und der Lebenskraft.

Das Wort „Wenn“, das Bitten und das Versprechen G“ttes, bezieht sich nicht nur auf das Erfüllen der Gebote an sich, sondern auch auf die Weise der Erfüllung. „In meinen Satzungen werdet ihr wandeln“ jedem Juden ist gewiss, dass er die Gebote mit jener Lebenskraft erfüllen wird, welche mit dem Aufsichnehmen dieser Pflicht einhergeht.

4. Die Belohnung dafür ist „und ich werde eure Regen geben zu ihrer Zeit…“. Die spirituelle Bedeutung des Regens ist das Licht der Tora und, noch höher, die Lehre, welche vom Gesalbten gelehrt werden wird, denn die jetzige Lehre ist nur ein Hauch im Vergleich zur Lehre des Gesalbten9.

Und dies führt auch zu „eure Regen zu ihrer Zeit“ – eure materiellen Bedürfnisse (Regen hebr. Geschem, davon abgeleitet gaschmi – materiell, physisch). Doch diese Materie wird nicht nur auf eine Weise gegeben werden, dass sie nicht vom G“ttesdienst abhält, sondern sie wird dabei sogar noch unterstützen, so wie geschrieben steht10 „bis er kein Fleisch isst, ist sein Gedanken nicht klar genug“, man wird also mit dieser Materie G“tt dienen – mit ruhiger Seele und erweitertem Bewusstsein.