"Und Josef sagte zu ihnen: 'Fürchtet Euch nicht. Stehe ich anstelle G-ttes? Ihr hattet böse Absichten, aber G-tt meinte es zum Guten ...'" - Genesis 50:19-20.
Im letzten Kapitel des Buches Genesis stirbt Jakob. Seine Söhne fürchten, dass sich ihr Bruder Josef nach Jakobs Tod an ihnen dafür rächen würde, was sie ihm vor vielen Jahren angetan hatten, als sie ihn gefangen hielten und anschließend in die Sklaverei verkauften. So bitten die Brüder, dass Josef ihnen nichts antun möge. Josef ist überrascht: "Stehe ich an Stelle G-ttes?" fragt er rhetorisch. "Ihr hattet böse Absichten, aber G-tt meinte es zum Guten."
Die Worte, mit denen Josef seine Brüder beruhigt, sind aufschlussreich. Er hätte auf ihre zwei Fehler hinweisen können, die mit nur einer guten Tat nicht zu rechtfertigen sind. Aber Josef übermittelt eine viel tiefer greifende Einsicht. Er wollte weder Rache, noch wollte er eingestehen, dass seine Brüder erfolgreich waren, als sie ihm etwas mit dem Ziel antaten, ihm Schaden zuzufügen. Josef gibt zu, dass sie ihn bewusst schädigen wollten. Dafür müssen sich die Brüder vor G-tt verantworten, – aber das ist nicht mehr Josefs Sache ("Stehe ich an G-ttes Stelle?"). Josef weist negative Gefühle für das ihm Angetane zurück.
G-tt lenkte alles, und seine Brüder haben ihm nichts angetan, was außerhalb G-ttes Plan lagUnd so erklärt Josef seine Gründe, warum es ihm an Ressentiments mangelt: G-tt lenkte alles, und seine Brüder haben ihm nichts angetan, was außerhalb G-ttes Plan lag. Natürlich veränderte sich Josefs Leben an dem Tag, an dem sie ihn in die Sklaverei verkauften, unwiderruflich! Aber G-tt hatte geplant, dass Josef nach Ägypten kommen sollte, um der Stellvertreter des Pharao zu werden, der seine Brüder in der Hungersnot rettet. Zwar hatten das seine Brüder einst nicht beabsichtigt, aber Josef sah das als irrelevant an. Sein Leben lief nicht deshalb so ab, weil ihm Menschen etwas zugefügt hatten, sondern weil es das Endprodukt von G-ttes gutem Plan war.
Jeder Genesende weiß, dass uns Ressentiments belasten. Am Ende unseres Lebens versuchen wir, jedwede Ressentiments, die wir gegenüber jemandem hegen oder gehegt haben, zu bewältigen, um den Schmerz zu besiegen. Unsere spirituelle Reise unternehmen wir am besten mit leichtem Gepäck. Wir können es uns nicht leisten, uns durch nutzloses schweres Gepäck zu belasten.
Aber mit der Überwindung unserer Ressentiments bewältigen wir nicht nur unseren emotionellen Schmerz, sondern es geht auch darum, dass wir G-ttes Lebenszweck und -plan für uns erkennen. Sobald wir Anderen die Macht geben, unser Leben zu definieren, übergeben wir uns der Tyrannei dieser Menschen, ihrer Orte und Dinge, - anstatt uns der liebevollen Pflege G-ttes anzuvertrauen. Selbst wenn Menschen mit der Absicht, uns zu schädigen, in unser Leben traten, so sagt uns unser Glaube, dass uns nichts vom G-ttlichen Plan abbringen kann. Auch Jene, die uns wirklich großen Schaden zufügten, sind nichts als unabsichtliche Schauspieler in einer immer neu geschriebenen und von G-tt dirigierten Aufführung. Zusammenfassend können wir sagen: Hegen wir Ressentiments, dann schreiben wir das Geschehen einem Geschöpf zu; geben wir aber das Ressentiment wirklich auf, dann schreiben wir das Geschehene nur G-ttes Kraft zu.
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