Vor seinem Tod segnete Mosche alle zwölf Stämme. Zum Stamm Ascher sagte er folgende beneidenswerte Worte: „Möge Ascher mit Söhnen gesegnet sein. Er wird seinen Brüdern eine Freude sein und seinen Fuß in Öl tauchen.“1

Allerdings war der Stamm Ascher nicht zahlreicher als die anderen Stämme, wie Mosches Volkszählung belegt. Auch in späteren Generationen wuchs dieser Stamm nicht schneller als der Rest des Volkes.

Bei Raschi finden wir dazu folgenden Kommentar: „Ich las in Sifri (einem Midrasch): ,Unter allen Stämmen findest du keinen, der mit solchen Söhnen gesegnet wurde wie Ascher.‘ Aber ich weiß nicht, in welcher Hinsicht.“

Da der Stamm nicht sonderlich groß war, erklärt der Midrasch, der Segen betreffe nicht die Zahl der Söhne, sondern deren Tugenden. Zum zweiten Teil des Segens bemerkt Raschi: „Da die Frauen aus dem Stamm Ascher schön und begehrt waren, wurden sie mit Hohenpriestern verheiratet, die man mit Olivenöl salbte.“

Das ist ein Hinweis auf die Verbindung zwischen dem Stamm Ascher und dem Priestertum, das Jaakow mehr als zweihundert Jahre zuvor begründet hatte. Bevor Jaakow starb, segnete er seine zwölf Kinder einzeln und verkündete ihnen prophetische Botschaften über die Zukunft. Zu Ascher sagte er: „Von Ascher wird reiche Nahrung kommen, und er wird königliche Köstlichkeiten darbringen.“ Der Midrasch erkennt den besonderen Sinn dieser Worte. Das hebräische Wort für „reich“ ist schmejna. Die gleichen vier Buchstaben bilden auch das Wort schmone, „acht“. Ascher wird Kinder hervorbringen, die acht Gewänder tragen, sagt der Midrasch, nämlich die acht Gewänder der Hohenpriester.

Obwohl die Priester zum Stamm Levi gehörten, waren seine Enkel ebenfalls würdige Priester, da Aschers Töchter Priester heirateten.

Diese Töchter waren so schön, dass Junggesellen aller Stämme um sie warben. Auch die hochrangigsten Männer, die Hohenpriester, wählten Frauen aus dem Stamm Ascher.

Im Grunde ist das seltsam. Warum suchte sich ein heiliger Mann seine Frau nur deshalb aus, weil sie schön war? Wenn er heilig war – so heilig, dass er Hohepriester werden durfte –, warum legte er dann solchen Wert auf Schönheit?

Nun, es gibt Schönheit, die bis zur Haut reicht, und Schönheit, die Würde und spirituelle Reife ausdrückt. Wenn die Tora von der Schönheit einer Jüdin spricht, meint sie fast immer ihre Würde und Bescheidenheit. „Die ganze Schönheit der Königstochter ist von innerer Art“, sagt König David2 und meint damit die Bescheidenheit der Töchter Israels, die sie auszeichnet und ihnen eine adlige Aura verleiht.

Genau dafür waren Aschers Töchter berühmt, und darum waren sie für die Priester besonders geeignet. Sie verstanden die Arbeit der Priester und unterstützten sie.

Ihren Höhepunkt erreichte diese Arbeit an Jom Kippur, weil der Hohepriester dann das Allerheiligste im Tempel betrat, wo die Tafeln lagen, die Mosche auf dem Berg Sinai von G-tt erhalten hatte. Die Zehn Gebote (ihre Seele) waren in Stein (den Körper) geritzt, und es war unmöglich, G-ttes Worte zu löschen. Wenn der Hohepriester aus dem Allerheiligsten zurückkam, verkündete er der Menge die Botschaft der Tafeln: Die Liebe zu G-tt kann so echt und bedingungslos sein, dass sie sich tief ins Sein einprägt. Körper und Geist können verschmelzen, so dass der Körper ein vollkommenes Vehikel für die Seele wird, die ihn belebt.

Ein Priester suchte nach einer Frau, die seine Arbeit verstand, und die geeignetsten Frauen fand er unter den Töchtern Aschers. Ihre Bescheidenheit drückte aus, dass der Geist ihnen wichtiger war als der Körper, den ihre Seele bewohnte. Ohne es zu wissen, strahlten sie ihre echte Hingabe durch ihre körperliche Erscheinung aus: Die Schönheit der Seele strahlte ungehindert durch den Körper, der sie vollkommen widerspiegelte. Sie waren lebende Verkörperungen der Tafeln, und darum war eine Tochter Aschers für einen Priester eine perfekte Partnerin.

Aschers Töchter waren auch großartige Mütter. Dank ihrer Bescheidenheit und Integrität vermittelten sie ihren Kindern unerschütterliches Vertrauen auf G-tt und ein sicheres Gefühl für angemessene Grenzen. Das ist die unausgesprochene Botschaft von Frauen, denen der Wille G-ttes wichtiger ist als der Wille der Gesellschaft. Ihre Kinder waren emotional und spirituell gesund und ohne Ausnahme als Hohepriester geeignet.

Obwohl der Stamm Ascher nicht groß war, waren seine Kinder so tugendhaft, dass ein einziges Kind seinen Eltern mehr Freude bereitete als viele andere Kinder zusammen. Es ist daher kein Wunder, dass alle Junggesellen Israels um die bescheidenen Töchter Aschers warben.3