In Paraschat Balak lesen wir davon, wie der nichtjüdische Prophet Bilam das Jüdische Volk zu verfluchen versucht, es letztlich aber stattdessen segnet. Eine seiner Lobpreisungen ist heute sogar Teil unseres täglichen Gebets: "Ma Towu Ohalecha Jakov Mischkanotecha Israel" - "Wie gut sind deine Zelte Jakob, deine Heimstätten Israel" [Bamidbar 24:5].
Unsere Weisen sel. A. erklären, dass Bilam sah, wie das Jüdische Volk sich in Bescheidenheit und Anstand übte. Ihre Zelte standen nebeneinander, die Eingänge der Zelte befanden sich aber nicht einander gegenüber. Jede Familie lebte in Bescheidenheit und achtete die Privatsphäre ihrer Nachbarn.
Man könnte bemerken, dass wenn sich die Eingänge der Zelte einander gegenüber befunden hätten, dies ganz offensichtlich eine unangenehme Situation für alle gewesen wäre. Jeder Mensch braucht schließlich eine gewisse Privatsphäre. Warum ist also der Umstand, dass das Jüdische Volk die Privatsphäre anderer achtete, hier besonders erwähnenswert?
Die Antwort hierauf liegt darin, dass das Jüdische Volk Bescheidenheit und Anstand zu jeder Zeit und in jedem Aspekt des Lebens praktizierte. Die meisten Dinge des Lebens werden feiner, bedeutender und letztlich heiliger, wenn sie mit Zniut, d. h. mit Bescheidenheit und Anstand, getan werden.
Der allgemein bekannteste Bereich von Zniut ist der von Kleidung. Die Gesetze der Tora verlangen von uns, dass wir uns mit Anstand und Züchtigkeit kleiden, so wie es sich für die Söhne und Töchter Israels geziemt.
Die Bedeutung von Zniut ist aber wesentlich umfangreicher und weiter zu verstehen, als nur auf die Kleidung bezogen. Zniut bedeutet vielmehr, Bescheidenheit und Anstand in jedem Aspekt des Lebens an den Tag zu legen.
So bedeutet Zniut unter anderem, Bescheidenheit in der Art wie wir gehen (ein Jude sollte stets eine würdevolle Haltung einnehmen), in der Art wie wir sprechen (ein Jude sollte stets in einem höflichen und gewählten Ton sprechen) sowie in der Art wie wir essen und trinken (ein Jude sollte mit dem Bewusstsein essen und trinken, sich dadurch zu kräftigen, damit er bzw. sie G-tt weiterhin mit Freude dienen kann), zu üben.
Das Jüdische Volk legt also Bescheidenheit und Anstand nicht nur an den Tag, wenn es um die Privatsphäre anderer geht - dies ist es, was Bilam verstand, als er das Jüdische Volk segnete, obwohl er es eigentlich hasste.
"Ma Towu" lehrt uns, dass Bescheidenheit und Anstand zu jeder Zeit und in jeder Situation, ob daheim (deine Heimstätten Israel) oder unterwegs (deine Zelte Jakob), für uns unverzichtbar sind. Bescheidenheit und Anstand haben letztlich sogar die Macht, selbst die Flüche unserer Feinde in Segen zu verwandeln.
(Basierend auf Likute Sichot, Band 13)
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