Tausende von Juden aus ganz Europa besuchten Reb Jisroel, den heiligen Rabbi von Ruschin. Für den kleinen Pesach, den Waisen, den die Familie des Rebbe aufgenommen hatte, war es ein wundersamer Anblick, an den er sich nie gewöhnte: so viele Menschen mit so vielen Sorgen und Hoffnungen auf eine bessere Zukunft.

„Der Rebbe ist ein heiliger Mann“, sagte man ihm. „Alle diese Leute kommen, um sich von ihm segnen zu lassen. Wenn er jemanden segnet, sieht er die Zukunft dieses Menschen viele Jahre voraus.“

Einmal nahm der Rebbe den Knaben beiseite und sagte: „Eines Tages musst du fortgehen. Du wirst Medizin studieren und Arzt werden. Dann wirst du ins Heilige Land gehen. Dort ist dein Platz, und dort wirst du viele Leben retten.“ Pesach brach in Tränen aus.

„Muss ich wirklich gehen, Rebbe?“, klagte er.

„Sei nicht traurig“, sagte der Rebbe. „Meine Gedanken werden immer bei dir sein.“ Und so geschah es. Pesach wuchs auf und wurde Arzt. Er nahm den Familiennamen seines geliebten Rebbe an: Friedmann, und ließ sich in der israelischen Stadt Zefat in Galiläa nieder.

Eines Tages hielt eine prächtige Kutsche vor seinem Haus, und ein eindrucksvoller Mann stieg aus. „Ich suche Dr. Friedmann“, sagte er. Als der Arzt an die Tür kam, erfuhr er, dass die Prinzessin von Preußen, die gerade Zefat besuchte, sehr krank war. Sie glühte vor Fieber, und einen Augenblick später zitterte sie vor Kälte. Ihr Vater, der Kaiser, bat Dr. Friedmann, sofort zu kommen.

Der Arzt eilte ans Krankenbett der Prinzessin, untersuchte sie und diagnostizierte Malaria. „Nehmt drei Tage lang diese Arznei. Wenn wir Glück haben, werdet Ihr geheilt.“ Drei Tage später legte sich das Fieber der Prinzessin, und man sah, dass sie auf dem Weg der Besserung war.

Nach drei Wochen wurde Dr. Friedmann erneut gerufen. „Die Prinzessin will weiterreisen, aber sie ist immer noch schwach und bittet Sie mitzukommen.“

Dr. Friedmann erklärte: „Majestät, das ist schwierig für mich. Als Jude muss ich dreimal am Tag mit zehn Männern beten und darf nur koscher essen. Und die Reise nach Jerusalem ist lang.“

Der Kaiser erwiderte: „Scheuen Sie keine Kosten. Bringen Sie zehn Männer mit und alles, was Sie zum Essen brauchen. Aber kommen Sie mit.“

Also trat Dr. Friedmann die lange, beschwerliche Reise an. Als er endlich wieder zu Hause war, fragte seine Frau: „Hat man dich dafür belohnt, dass du der Prinzessin das Leben gerettet hast?“

„Eigentlich nicht, aber sie sagten, der Kaiser stehe in meiner Schuld. Nun ja, es war sehr schwierig, aber mir genügt es, dass ich ihr helfen konnte.“

Viele Monate vergingen, und Dr. Friedmann hörte nichts mehr von der Prinzessin oder ihrem Vater. Das Land Israel litt an vielen Problemen, und die interessante Episode mit der Prinzessin war bald vergessen, weil die Menschen andere Sorgen hatten: Sie mussten ihren Kindern zu essen geben.

Die Regierung der Türkei, die damals das Heilige Land regierte, verlangte von jungen jüdischen Männern, dass sie in der Armee dienten. Aber in der Armee war es unmöglich, die Mizwot zu befolgen, und es wäre sogar gefährlich gewesen. Die einzige Alternative war das Gefängnis.

Plötzlich erhielt Dr. Friedmann ein Telegram vom preußischen Kaiser. Darin stand, Dr. Friedmann sei auf kaiserlichen Befehl zum preußischen Konsul in Zefat ernannt worden. Er habe das Recht, für preußische Bürger Pässe, Visa und andere Papiere auszustellen.

Dr. Friedmann schwieg lange, als er das Telegramm gelesen hatte. Dann erinnerte er sich an die Worte des Rebbe, als wären sie eben gesprochen worden: „Dort wirst du viele Leben retten.“ Eilig berief er eine Versammlung der Gemeindevorsteher ein.

„Hier ist die Antwort auf unser Problem“, sagte er und hielt das Telegramm hoch. „Mir wurde das Recht erteilt, Pässe für preußische Bürger auszustellen. Ist euch klar, was das bedeutet? Die Türken haben keine Macht mehr über uns. Wenn ein junger Mann bedroht ist, dann schickt ihn zu mir. Ich gebe ihm einen preußischen Pass, der ihn retten wird. Dadurch wird er preußischer Bürger und braucht nicht in der türkischen Armee zu dienen.“

So bewahrheiteten sich die Worte von Reb Yisroel von Ruschin einmal mehr!