Schweren Herzens versammelte sich eine Gruppe älterer Chassidim im Haus von Rabbi Tswi Elimelech von Dinow. Ihr Rebbe war erkrankt, und seine Tage waren gezählt. Auch seine Kinder und Enkel waren in seiner letzten Stunde bei ihm. Alle warteten auf letzte Anweisungen von ihrem Lehrer und Vorbild.

Die Augen des Rebbe waren geschlossen, und sein heiliges Gesicht drückte Beklommenheit und Ekstase zugleich aus. „Unser Meister spricht in seinen letzten Minuten mit seinem Schöpfer“, dachten alle. „Es ist egoistisch von uns anzunehmen, dass er jetzt ein letztes Wort mit uns spricht!“

Plötzlich öffnete der Rebbe die Augen und betrachtete die Versammelten. Schließlich blieb sein Blick auf einem Mann haften, der an der Seite stand. Die Chassidim machten ihm Platz und schoben ihn sanft zum Bett des Rebbe. „Reb Schmuel“, hörten sie den Rebbe fragen, „was wolltest du mich fragen?“

„Rebbe“, antwortete der Mann, den bisher noch niemand gesehen hatte, „was soll ich mit der Wolle machen, die ich gekauft habe?“

„Keine Sorge, Reb Schmuel“, sagte der Rebbe. „Warte bis zum nächsten Winter. Der Preis wird steigen, und du machst einen ordentlichen Gewinn.“ Dann schloss der Rebbe die Augen, und bald darauf ging seine Seele in ihre himmlische Heimat ein.

In den folgenden Tagen debattierten die Chassidim hitzig über die letzten Worte ihres Rebbe. Der rätselhafte Wollhändler war so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war. Gewiss war er einer der 36 „verborgenen Zadikim“ gewesen oder gar der Prophet Elija! Mehrere Theorien über die kabbalistische Bedeutung der Worte „Wolle“, „Winter“ und „Gewinn“ wurden aufgestellt.

Als Rabbi Tswi Elimelechs Sohn, Rabbi Dovid, davon hörte, sagte er: „Ihr irrt euch. Von einem Mysterium oder einem verborgenen Sinn kann keine Rede sein. Mein heiligmäßiger Vater wollte nur seine tiefe Liebe für jeden Juden ausdrücken. Reb Schmuel ist ein einfacher Händler, der oft kam, um Vaters Rat einzuholen und sich segnen zu lassen. Neulich hat er eine Menge Wolle gekauft, aber der Preis ist stark gefallen. Der Arme hat sein ganzes Geld verloren und sogar hohe Schulden gemacht, um die Wolle zu kaufen. Darum eilte er nach Dinow, um meinen Vater um Rat zu fragen. Er folgt einfach der Menge, die in Vaters Zimmer strömte, ohne zu ahnen, warum die Leute da waren. Vater spürte die Anwesenheit eines Juden in Not, deshalb war dieser Mann für ihn der wichtigste. Darum versicherte er ihm, dass alles gut wird.“