Ein Schidduch, die Verlobung einer Mannes und einer Frau, ist so schwierig wie die Teilung des Roten Meeres. Und die Heirat zwischen der Tochter des berühmten Raschasch (Rabbi Schmuel Schtraschun) in Wilna und dem Sohn von Reb Salman war vielleicht noch schwieriger.
Eines Tages, als der Raschasch in sein Tora-Studium vertieft war, kam ein Schneider namens Reb Salman zu ihm, um sich etwas Geld zu borgen. Der Raschasch war nicht nur ein angesehener Gelehrter, sondern auch Bankier. Darum verwaltete er auch einen Spendenfonds.
Als Reb Salman sein Anliegen vorgetragen hatte, bekam er dreihundert Rubel, die er innerhalb eines Jahres zurückzahlen sollte. Der Raschasch hielt die Auszahlung pflichtgemäß in seinem Kassenbuch fest und setzte sein Studium fort.
Als Reb Salman genau ein Jahr später mit dreihundert Rubel in der Hand wieder beim Raschasch vorsprach, war dieser in ein schwieriges Problem des Talmud vertieft. Er nahm das Geld, aber weil er sein Studium nicht unterbrechen wollte, steckte er es in hinten in einen großen Folianten. Das Studium fesselte seine Aufmerksamkeit so sehr, dass er Reb Salmans Besuch an diesem Tag völlig vergaß.
Zwei Monate später, als der Raschasch sein Kassenbuch prüfte, fiel ihm der Name des Schneiders Salman auf, der dreihundert Rubel aus dem Spendenfonds erhalten, aber nicht zurückgezahlt hatte. Er ließ Reb Salman rufen und verlangte das Geld zurück, weil es schon überfällig sei. Reb Salman erbleichte und sagte: „Aber ich habe es genau am vereinbarten Tag bezahlt!“
Der Raschasch konnte sich nicht daran erinnern, und nach seinem Kassenbuch war die Schuld noch nicht beglichen. Es gab keine andere Möglichkeit, als ein rabbinisches Gericht entscheiden zu lassen. Als der einfache Schneider und der große Gelehrte gemeinsam den Gerichtshof betraten, war die ganze Stadt empört. Wie konnte Reb Salman es wagen, einen der größten Gelehrten in Wilna zu täuschen! Man stelle sich vor – er widersprach dem großen Raschasch, dem angesehenen Hüter des Spendenfonds!
Das Gericht entschied, Reb Salman müsse feierlich beschwören, dass er das Geld zurückgezahlt habe; denn sein Wort stand gegen das eines anderen. Nach diesem Schwur sollte er von seinen Schulden befreit sein. Aber ein Schwur ist keine Kleinigkeit. Der Raschasch wollte einen anderen Juden nicht zu einem falschen Schwur verleiten, und darum beschloss er, die Sache fallen zu lassen.
Aber damit war der Fall nicht abgeschlossen. Die Einwohner Wilnas waren zornig auf den unglücklichen Schneider. Sie gaben ihm keine Aufträge mehr und schauten ihn auf der Straße nicht einmal an. Schließlich musste er seine Werkstatt schließen und in ein kleines Dorf umziehen. Er und seine Familie litten schwer unter dem Vorfall.
Im nächsten Jahr studierte der Raschasch das gleiche Problem, mit dem er beschäftigt gewesen war, als Reb Salman seine Schulden bezahlte hatte. Als er das Buch durchblätterte, fand er zu seinem Erstaunen ein Geldbündel darin. Jetzt fiel ihm alles wieder ein. Vor seinem geistigen Auge sah er Reb Salman, der ihm stolz das ganze Geld überreichte und sagte: „Hier ist alles, was ich bekommen habe, und heute ist genau ein Jahr vergangen!“
Der Raschasch war entsetzt über die Not, die seine Nachlässigkeit heraufbeschworen hatte. Er eilte zum Haus des Schneiders, aber der wohnte nicht mehr dort. Dann ging er in die Werkstatt, aber die gehörte jetzt anderen Leuten. Nachdem er herumgefragt hatte, wurde ihm klar, was für einen Schaden er angerichtet hatte.
Er ging in das kleine Dorf und fand dort Reb Salman in einer schäbigen Hütte. „Reb Salman, bitte verzeih mir! Ich habe eben das Geld gefunden, das du zurückgezahlt hast! Du warst im Recht, und ich war im Unrecht!“
„Ich vergebe Euch – aber was nützt mir das? Ich habe alles verloren: mein Geschäft, mein Haus, meinen Ruf. Ich bin ein gebrochener Mann.“
„Ich werde alles Menschenmögliche tun, um dir zu helfen. Ich werde dein Geld dem Fonds zurückgeben und dann auf der Bima der Synagoge verkünden, dass ich dir Unrecht getan habe.“
„Das wird nichts nützen. Alle werden denken, dass Ihr eben ein großer Mann seid und mit dem armen Schneider Mitleid habt.“ Der Raschasch wusste, dass Reb Salman Recht hatte. Die Leute würden in der Tat so denken. Was konnte er tun, um all das Leid zu tilgen, das Reb Salman erduldet hatte?
„Reb Salman, ich habe eine fast heiratsfähige Tochter, und du hast einen Sohn. Wenn ich meine Tochter mit deinem Sohn verlobe, wird niemand daran zweifeln, dass du ein ehrlicher Mann bist; denn ich würde unsere Familien bestimmt nicht vereinen, wenn es anders wäre!“ Reb Salman war einverstanden. Das war eine brauchbare Lösung.
Die beiden jungen Leute stimmten zu, und die Verlobung wurde gebührend gefeiert. Reb Salman genoss in der Gemeinde wieder hohes Ansehen, und der Raschasch hatte die Folgen seines Fehlers behoben. Das junge Paar, das sich ohne den Vorfall nie gefunden hätte, wurde mit großem Glück gesegnet. Ja, manchmal ist ein Schidduch wirklich schwierig - mehr noch als die Teilung des Roten Meeres.
ב"ה
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