„Und Esther wurde zum König Achaschwerosch gebracht … im Monat Tewet“ (Esther 2:16) - ein Monat, in dem der Körper Vergnügen von einem Körper bekommt (Talmud, Megilla 13a).

„Ein Körper, der Vergnügen von einem Körper bekommt“ - wegen der Kälte. Es wurde vom Himmel so arrangiert, dass man sie zu so einer Zeit zum König brachte, damit sie ihm begehrenswert erschien. (Raschi)

Man könnte die Tora als das endgültige Geschichtsbuch, entworfen vom Autor der Geschichte selbst, ansehen. Man könnte sie ebenfalls als das endgültige Gesetzbuch betrachten, erlassen durch den obersten Gesetzgeber. So ist es auch, aber sie ist noch mehr: Die in ihr enthaltenen Gesetze und Ereignisse umfassen die Vielfalt von Bedeutungen und beschreiben das Wesen der menschlichen Seele, der Schöpfung und der Wirklichkeit, sowie der G-ttes Beziehung zu unserer Existenz. Nachmanides formuliert das so: „Die Tora diskutiert das Kurzlebige und weist auf das Überirdische hin“.

So interpretieren unsere Weisen das Buch Esther als mehr als eine Chronik der Purim-Ereignisse. Es ist auch die Geschichte einer Beziehung: In der „überirdischen“ Fassung ist König Achaschwerosch der „König, dessen Anfang und Ende Seine sind“ und Esther, Seine Braut Israel.

In diesem Lichte können wir besser verstehen, was der Talmud über den Monat, in dem Esther in den Palast des Achaschwerosch gebracht wurde, sagt.

Dies ist nicht nur einer der vielen g-ttlichen arrangierten „Zufälle“ aus dem das Wunder von Purim besteht, es ist ebenfalls eine Beschreibung eines sehr wesentlichen Elements von G-ttes Verbindung mit Seinem Volk. Tewet, der kälteste Monat des Jahres, kennzeichnet eine Phase in der Beziehung mit dem Ewigen, in der „der Körper Vergnügen von einem Körper bekommt“.

In menschlichen Beziehungen hat die Verbindung zwischen Mann und Frau eine spirituelle sowie eine physische Dimension. Es gibt die spirituelle Bindung von Verstand und Herz - die Erfüllung, die beide Partner durch die Intelligenz, Emotionen, Witz, Charakter des Anderen erlangen.

Aber das „Vergnügen“ in einer Beziehung, im wahrsten Sinne des Wortes, findet sich in einem physischen Aspekt, im Kontakt und der Vereinigung ihrer Körper.

Das Gleiche gilt für die endgültige Beziehung zwischen Mann und Frau - der übernatürliche Prototyp, aus dem sich alle männlichen und weiblichen Beziehungen entfaltet haben, und der die Verbindung zwischen G-tt und Israel wiederspiegelt. Auch hier finden wir einen „spirituellen“ und einen „körperlichen“ Aspekt. Das stärkste Element der Beziehung ist wiederum das Element wo „der Körper Vergnügen von einem Körper bekommt“. Bestehend aus Körper und Seele beteiligen wir sie beide an unsere Beziehung zu G-tt.

Wir dienen Ihm mit unserem geistigen Selbst: Mit unserem Torastudium schärfen wir unseren Verstand mit Seiner Weisheit. Im Gebet meditieren wir über seine Größe, und versuchen, Liebe und Ehrfurcht vor Ihm in unseren Herzen zu entwickeln.

Auf diesen und anderen Wegen bemühen wir uns die Beherrschung des Verstandes über die Materie und die Vorherrschaft des Geistes über die Substanz auszuüben. Wir versuchen die körperlichen Triebe unterzuordnen, und die selbstannullierende Verbindung unserer Seele zu ihrem Schöpfer auszudrücken.

Aber dieses ist nur eine Seite des Verhältnisses. Auch der Körper dient G-tt, nicht nur als Instrument der Seele, sondern mit seinen eigenen Ressourcen und seiner materiellen Identität.

Das ist der physische Aspekt von unserer Beziehung mit dem Ewigen. Wir mögen G-tt zwar nicht im physischen Bereich erleben, wie wir ihm in der spirituellen Dimension erleben, aber mit unseren physischen Trieben beziehen wir uns auf Ihn in keineswegs weniger wichtiger Art und Weise – um Seinen Willen in der Schöpfung zu erfüllen.

G-tt hat natürlich weder Seele noch Körper. Aber gerade weil er nicht teilbar oder definierbar in irgendeiner Weise ist, müssen wir zwischen zwei Dingen unterscheiden, wenn wir über Ihn denken und diskutieren bzw. ihn erleben: G-tt selbst und unsere Erkenntnis Seiner Realität.

Wenn wir G-tt mit unserem Körper und körperlicher Identität dienen, drücken wir aus, worüber es bei unserer körperlichen Seite und dem Ego in Wirklichkeit geht: das unerfahrbare Wesen G-ttes.

In diesem Zusammentreffen steckt das tiefste Vergnügen der Beziehung. Es mag sein, dass der Verstand G-ttes in der Tora ist, dass Sein Herz in den sehnsuchtvollen Klängen des Gebets pocht, aber Sein „Wunsch“ steckt in der Behausung, die wir Ihm aus unseren physischen Körpern und der Welt schaffen.

Die Geschichte unserer Beziehung kannte spirituelle sonnige Zeiten. G-ttes Einmischung in unser Leben war offen spürbar. Der heilige Tempel stand in Jerusalem als Leuchtfeuer Seiner Manifestation in unserer Mitte. Die g-ttliche „Sonne“ schien hell und wir sonnten uns in ihren Strahlen.

Aber am 10. Tewet des Jahres 3336 nach der Erschaffung (426 v.u.Z.) begann für uns ein Winter, aus dem wir noch rauskommen müssen.

An diesem Tag haben die babylonischen Armeen Jerusalem belagert. Zweiundeinhalb Jahre später haben sie in die Stadtmauer eine Bresche geschlagen, zerstörten den Tempel und haben das jüdische Volk ins Exil getrieben. Galut, die geografische und spirituelle Verlagerung von Israel, begann.

Die Sonne kam in der Zeit des zweiten Tempels für weitere vier Jahrhunderte raus, aber das war eine mehr zurückhaltende Offenbarung der G-ttlichkeit. Einige der offenkundigsten Zeichen g-ttlicher Gegenwart fehlten. Die Prophezeiung hörte auf. Der g-ttliche Bräutigam redete nicht mehr direkt zu seiner Braut. Schließlich wurde auch dieses von uns genommen.

Seitdem sind wir draußen in der Kälte. Aber wenn der spirituelle Winter des Galuts die Erfahrung unserer Beziehung zu G-tt verdunkelt, dann ist es Zeit für erhöhte physische Freude. Die kalten Nächte des Tewet verstärken nur den körperlichen Genuss aneinander. Wenn eine dunkle und kalte Welt das Licht G-ttes dämpft und unseren Verstand und unser Herz schwerfällig macht, betont das nur das grundsätzlichste und wesentlichste Element in unserer Beziehung: Die Verbindung zwischen dem körperlichen Selbst des Menschen und dem vollkommenen Wesen G-ttes.