Vor etwa vierhundert Jahren lebte eine heldenhafte jüdische Frau namens Maria Nunez. Ihre Familie gehörte zu den besten jüdischen Familien in Spanien, die während der Schreckensherrschaft der schrecklichen Inquisition gezwungen worden waren, den katholischen Glauben anzunehmen. Wie viele andere Juden in Spanien lebten sie jedoch heimlich als Juden und gaben sich nur äußerlich als Christen aus. Diese Juden wurden, wie du vielleicht weißt, „Conversos“ genannt.
Die Conversos lehrten ihre Kinder heimlich alles, was sie über das Judentum wussten, und hofften, dass sie so schnell wie möglich fliehen und in ein Land gehen würden, in dem sie als Juden frei leben konnten. Unter den Juden, die nach Portugal flohen, waren auch die Eltern von Maria Nunez, und in Portugal wurde sie geboren und erhielt diesen nicht jüdisch klingenden Namen.
Doch der lange, furchterregende Arm der Inquisition reichte schließlich auch nach Portugal, und so beschlossen Maria, ihr Bruder Manuel und ihr Onkel Miguel Lopez, ihr Leben für die Freiheit zu riskieren. Zu dieser Zeit war die Niederlande das Zufluchtsland für Verfolgte, und viele Conversos suchten dort einen sicheren Hafen.
Reisen waren in jenen Tagen weder einfach noch sicher. Das Boot, auf dem Maria, ihr Bruder und ihr Onkel segelten, war eine schäbige Angelegenheit, und der Kapitän nutzte die unglückliche Lage der Conversos schamlos aus. Er verlangte nicht nur einen horrenden Preis, sondern behandelte sie auch noch schlimmer als Vieh. Und als wäre diese Situation nicht schon schlimm genug, wurde ihr Boot von einem englischen Piratenschiff gekapert, dessen Kapitän sie nach England brachte. Da Juden zu dieser Zeit jedoch nicht nach England einreisen durften, wurden sie gefangen genommen und sehr grob behandelt.
Die arme Maria Nunez, ihr Bruder und ihr Onkel schienen dazu verdammt zu sein, den Rest ihres Lebens als Gefangene zu verbringen, ohne Hoffnung, die Niederlande und die Freiheit zu erreichen: die Freiheit, als Juden zu leben, für die sie so lange und so hart gebetet und so viel riskiert hatten.
Aber Maria Nunez, wie wir euch bereits gesagt haben, besaß viel persönlichen Charme und Mut, von dem sie kaum etwas ahnte. Und es war diese Gabe G‑ttes, die ihr in ihrem gegenwärtigen Dilemma half. Selbst auf dem Boot hatte Maria alle möglichen verlockenden Angebote abgelehnt, die ihr persönlich geholfen hätten, aber das war nicht das, wonach sie suchte. Und so war nun auch der Kapitän des Piratenschiffs, als er sie sah, von ihrem Charme völlig hingerissen. Er bot ihr die Ehe an, was für sie und ihre Leidensgenossinnen die Freiheit bedeuten würde. Doch sie lehnte ab, denn sie sehnte sich danach, einen Ort zu erreichen, an dem sie frei leben und dem Judentum treu bleiben konnte.
Der Ruf von Marias Schönheit und Weisheit erreichte den königlichen Hof in London, und die regierende Königin, Königin Elisabeth, ließ nach ihr schicken. Sie war so beeindruckt von Maria, dass sie das hübsche Mädchen mitnahm, als sie in ihrer königlichen Kutsche ausritt.
Maria erhielt Heiratsanträge von den höchsten Adelsfamilien, aber sie bat nur um die Erlaubnis, England verlassen und in die Niederlande segeln zu dürfen. Diese Erlaubnis wurde ihr schließlich gewährt, und so erreichten Maria, ihr Bruder und ihr Onkel schließlich ihr Ziel, das Land ihrer Hoffnungen und Träume. Dort heiratete Maria ihren Cousin Francisco Nunez Pereira. Sie kehrten offen zu ihrem geliebten jüdischen Glauben zurück und nahmen glücklich ihren jüdischen Namen Abendana an.
Hier lebten sie in Frieden und Zufriedenheit, glücklich in dem Wissen, dass sie G-tt frei als Juden dienen konnten. Und nur die unglücklichen Juden, die Unterdrückung erlebt haben und denen es verboten war, das Judentum auszuüben, können den wahren Segen dieser „Religionsfreiheit“ erkennen und schätzen.
Viele Jahrhunderte lang gehörten die Nachkommen der wunderbar heldenhaften und liebenswerten Maria zu den gebildetsten und frommsten Mitgliedern der portugiesisch-jüdischen Gemeinde in den Niederlanden, und das ist bis heute so geblieben.
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