VIII. In der Gemara1 heißt es, dass wir in der „Zukunft“ gerade von Jizchak sagen werden: „Denn du bist unser Vater.“2 Chassidut erklärt dies damit, dass Jizchak den Aspekt der Furcht (vor G-tt) und der Selbstverneinung repräsentiert, der eine der Neuerungen der zukünftigen Ära sein wird.3
Dies mag der Grund sein, warum wir in Jizchak mehrere Aspekte finden, die den zukünftigen Zustand des Seins vorwegnehmen. Von allen Patriarchen wird gesagt, dass G-tt ihnen einen „Vorgeschmack“ auf die künftige Welt gegeben hat,4 aber nur in Bezug auf die künftige Freude. Bei Jizchak jedoch war sein gesamtes Leben bereits in der Art der Zukunft, denn zur Zeit der Akeda verließ ihn seine Seele5 und wurde durch eine Seele aus der zukünftigen Welt ersetzt.
IX. Dies ist jedoch nicht die einzigartige Eigenschaft von Jizchak. Auch von anderen wird gesagt, dass „seine Seele von ihm gewichen ist.“ Einige schreiben dies dem Sohn der Schunamiterin zu,6 und es gibt auch andere Fälle.7 Die einzigartige Eigenschaft Jizchaks liegt darin, diese Welt transzendiert und diese Transzendenz dann in diese Welt gebracht zu haben, wie weiter unten erklärt wird.
Der Midrasch8 kommentiert den Vers „Und die Knaben wuchsen heran“9 mit den Worten: „Als sie 13 Jahre alt waren, ging (Jaakow) seinen Weg zum Lehrhaus und (Esaw) seinen Weg zum Götzendienst.“ Dies wirft jedoch ein Problem auf:10 Von Awraham heißt es, dass er 180 Jahre alt werden sollte; aber fünf Jahre wurden ihm vorenthalten, damit er die Verdorbenheit seines Enkels Esaw nicht sehen würde.11 Nach diesem Midrasch lebte Awraham jedoch noch, als Esaw zum Götzendienst ging; denn Awraham war 100 Jahre alt, als Jizchak geboren wurde, und Jizchak war 60, als Jaakow und Esaw geboren wurden. Wenn Esaw also erst 13 Jahre alt war, als er dem Götzendienst folgte, war Awraham zu diesem Zeitpunkt erst 173 Jahre alt und erlebte die Verdorbenheit seines Enkels zwei volle Jahre lang mit!
Der Kommentar Da-at Sekenim MiBa-alej Tossafot12 antwortet, dass Esaw während dieser zwei Jahre nicht offen, sondern nur heimlich gesündigt hat. Diese Antwort ist jedoch nicht zufriedenstellend. Denn wenn Esaw zwei Jahre lang heimlich sündigen konnte, konnte er auch weitere fünf Jahre heimlich sündigen, und somit wäre es nicht nötig, Awraham fünf Jahre zu entziehen.
Asara Ma-amarot und auch R. Jizchak ben Ascher haLevi (Riba) bieten eine andere Erklärung an. Von der Zeit der Akeda bis Riwka drei Jahre und einen Tag alt war, befand sich Jizchak im Gan Eden.13 Gan Eden transzendiert die irdische Zeitrechnung. Als Jaakow und Esaw geboren wurden, waren seit der Geburt Jizchaks mehr als 62 Jahre vergangen (d. h., Jizchak war zu diesem Zeitpunkt nur 60 Jahre alt, gemessen an der irdischen Zeitrechnung, obwohl er eigentlich älter war; aber da die in Gan Eden verbrachten Jahre die irdische Zeitrechnung übersteigen, werden sie nicht mitgezählt). Somit war Awraham zu dieser Zeit in Wirklichkeit 162 Jahre alt.14
Es gibt Gelegenheiten, bei denen man auf eine Ebene erhoben wird, die über die Zeit hinausgeht, obwohl dies später, wenn man in die Zeit zurückkehrt, durchaus spürbar ist. Es gibt zum Beispiel eine Geschichte über den Baal Schem Tow,15 in der er seinem Schwager R. Gerschon über etwas schreibt, was eigentlich erst später geschehen ist. Denn der Baal Schem Tow war in die Welt von Jezira aufgestiegen, wo die reguläre Spanne von (zehn oder) 15 Jahren auf einen Blick wahrgenommen wird. Damit war er jedoch nicht aus der irdischen Zeit herausgelöst, zumal sein Körper auch zum Zeitpunkt des Aufstiegs in seinem irdischen Zustand verblieb – anders als bei Jizchak.
Jizchaks Aufenthalt in Gan Eden wirkte sich auf ihn aus und blieb bei ihm, auch als er in die untere Welt zurückkehrte. Denn wie hätte er sonst sagen können: „[Der Geruch meines Sohnes (Jaakow) ist] wie der Geruch eines Feldes, das der Ewige gesegnet hat“16, d. h. wie der Geruch von Gan Eden?17 Offensichtlich erinnerte er sich an die Zeit, in der er dort war.
Wenn eine Seele aus Gan Eden in diese Welt hinabsteigt, kommt im Allgemeinen ein Engel und schlägt (dem Kind) auf den Mund [damit es vergisst],18 damit die Art und Ordnung der Awoda, die in dieser Welt praktiziert werden soll, nicht beeinträchtigt wird. Umgekehrt muss die Seele, wenn sie aufsteigen will, die Sichtweise dieser Welt vergessen.19 Jizchak hatte jedoch den Vorteil, dass er die Aspekte von Gan Eden auch unten beibehielt.
X. Unsere Weisen erklären,20 dass nur drei Personen als Patriarchen bezeichnet werden. Dies wird21 mit dem Unterschied zwischen den Patriarchen und den Stämmen erklärt:22 Nicht jeder Jude muss alle Tugenden eines jeden der Stämme besitzen; die Tugenden der Patriarchen aber sind in jedem Juden zu finden. Deshalb sagt jeder Jude: „G-tt Awrahams, G-tt Jizchaks und G-tt Jaakows“;23 denn jeder der Patriarchen lässt die Potenzen seiner einzigartigen Eigenschaften im G-ttlichen Dienst in jeden Juden zum Zwecke seiner eigenen Awoda einfließen. Daraus folgt, dass auch der Aspekt des Mitnehmens aus Gan Eden in diese Welt, wie er bei Jizchak erörtert wird, jeden Juden berührt.
Das Gleiche gilt auch für den Schabbat – den Tag, durch den alle Tage der Woche gesegnet werden.24 Der Schabbat selbst transzendiert die Zeit,25 und dies wirkt sich auf die Awoda der ganzen Woche aus.26 Deshalb muss an den Schabbat jeden Tag27 gedacht werden – „der erste Tag des Schabbat“, „der zweite Tag des Schabbat“ –, was Teil der Mizwa „Gedenke des Schabbat-Tages“ ist;28 und so pflegte Schammai der Ältere alles zu Ehren des Schabbat zu bezeichnen.29
XI. Die Relevanz für unsere Awoda ist wie folgt:
Der Jude wird aufgefordert, weltlichen Begierden und Freuden zu entsagen und sich Folgendem zu widmen: „Eines habe ich erbeten ... die Annehmlichkeit des Ewigen zu schauen“ usw.30 Aber der Mensch kann sehr wohl argumentieren, dass er mit einem Körper und einer tierischen Seele verbunden und in eine materielle Welt versetzt ist; wie kann dann von ihm erwartet werden, dass er weltlichen Freuden entsagt und nur jenseitige Freuden (wie die von Gan Eden usw.) sucht – was die Voraussetzung für eine Manifestation der G-ttlichen Annehmlichkeit ist?
Jedem Juden ist jedoch vom G-tt Jizchaks eine besondere Fähigkeit gegeben, über die „kommende Zukunft“ und Gan Eden nachzudenken und in Gedanken zu bewegen, so dass er sogar jetzt sagen kann: „Siehe, der Geruch ... [ist wie der Geruch von (Gan Eden)].“ D. h., dass alle weltlichen Freuden, selbst die wirklichen, im Vergleich zu den Freuden von Gan Eden nicht mehr als wertlose Bröckchen sind.31 Wie kann man dann auf die wahre Freude um der wertlosen Spreu willen verzichten? Und wenn der eigentliche Kern entleert ist, sind es auch seine damit verbundenen Qualitäten, ganz zu schweigen von dem wertlosen Abfall.32
Alle Gedanken müssen daher auf die Essenz konzentriert werden. Dies kann nur durch Bitul, Selbstverneinung, erreicht werden, was im Sinne der Awoda Kabbalat Ol bedeutet, so wie der Aufstieg zum Gan Eden den Aspekt „Und so kam das Mädchen zum König“33 voraussetzt, d. h. Selbstverneinung.34
Dies ist in der Tat die Qualität von Jizchak: Pachad Jizchak – die Furcht Jizchaks, d. h. Selbstverneinung und Kabbalat Ol.35
XII. In diesem Zusammenhang können wir auch verstehen, warum es üblich ist, dass die Braut während der Verlobungszeremonie schweigt.36 Gewiss, Schweigen ist gleichbedeutend mit Zustimmung und Akzeptanz;37 aber es scheint, dass es immer besser ist, etwas ausdrücklich zu artikulieren. Warum also schreibt der jüdische Brauch – der die Kraft der Tora38 hat – vor, dass die Braut schweigt?
Eine wirkliche innere Nähe, die Zusammenführung der einen Essenz (des Bräutigams) mit der anderen (der Braut), damit sich die Kraft des Ejn Sof in „einem gerechten und gesegneten Geschlecht“39 manifestiert, ist jedoch nur durch eine totale Selbstverneinung möglich. Eine solche Selbstverneinung bewirkt eine tiefe, innerste Übereinstimmung, die zur Verwirklichung von „Eine tapfere Frau ist die Krone ihres Mannes“40 führt.
(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am Schabbat Paraschat Toldot 5714)
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