Während eines Besuchs bei Reb Boruch von Mezibusch erzählte der Skuler Rebbe die folgende Geschichte:
Einmal saß ich mit dem Baal Schem Tow (auch Bescht genannt) zusammen, als zwei Fremde eintraten. Der würdevollere der beiden ging zum Bescht und sagte: „Wir brauchen den Rat eines Zadik. Ich bin Rabbiner in einer Kleinstadt und möchte wissen, ob ich meine Tochter dem Sohn dieses Mannes zur Frau geben soll.“
Der Baal Schem Tow schaute den Sprecher eine ganze Minute lang prüfend an. Dann fiel sein durchdringender Blick auf den anderen. Danach sagte er ohne Zögern: „Warum nicht?“
Verdutzt begann der Rabbiner seine Situation schnell und nervös zu erklären: „Rebbe, dies ist ein einfacher, ungebildeter Mann. Er war Wasserträger, als er mit viel Glück reich wurde. Dann wollte er seinen Sohn und meine Tochter verloben. Natürlich wusste er, dass ich nicht einverstanden sein würde, und darum machte er dem Lehrer meiner Kinder ein Angebot. Er gab ihm fünfzig Rubel im Voraus, damit er mich jeden Tag aufsuchen und bitten würde, die Hochzeit zwischen meiner Tochter und dem Sohn des Wasserträgers zu erlauben.“
Der Bescht wandte sich an den Reichen und fragte: „Stimmt das?“
„Ja, Rabbi“, antwortete der Mann. „Ich wusste, er würde nicht sofort zustimmen; aber ich dachte, wenn man ihn einige Wochen lang täglich bittet, denkt er gründlicher nach und ändert vielleicht seine Meinung.“
Der Rabbiner wurde wütend. „Ich werde diesen Plagegeist nicht los! Jeden Tag kommt der Lehrer mit der gleichen Geschichte zu mir, bis ich es nicht mehr aushalte. Nichts kann ihn davon abhalten. Deshalb war ich bereit, Euch aufzusuchen und mich Eurem Urteil zu fügen. Wenn Ihr sagt, ich soll die Hochzeit ausrichten, werde ich es tun. Und für den Fall, dass Ihr dagegen seid, hat er versprochen, mich in Ruhe zu lassen.“
„Gut“, erwiderte der Bescht. „Dann sag mir, ist dieser Mann g-ttesfürchtig? Ist seine Familie dafür bekannt, dass sie Gutes tut?
Sind es ehrliche, anständige Menschen?“
Der Rabbiner konnte diese Fragen nur bejahen, denn der Reiche und seine Familie waren als gute, ehrliche Leute bekannt, und niemand hatte je etwas Schlechtes über sie gesagt. „Wenn es so ist“, sagte der Bescht, „soll die Hochzeit stattfinden. Es gibt keinen Grund, sie aufzuschieben.“ Der Vertrag wurde geschlossen, man tauschte l’Chaims und fröhliche Masel Tows aus. Die beiden Männer schüttelten sich die Hand und schienen zufrieden zu sein. Als sie gegangen waren, sagte der Bescht zu mir: „Dieser Mann wäre ein guter Heiratsvermittler in einer Welt von Clowns.“ Er kicherte in sich hinein und schien sich gut zu amüsieren. Ich hatte keine Ahnung, was er meinte, beschloss aber, es herauszufinden. Also folgte ich den beiden Männern in ihre Herberge. Als ich dort den Rabbiner traf, berichtete ich ihm die Worte des Rebbe und hoffte, er werde das Rätsel lösen.
Der Rabbiner hörte ungläubig zu; dann rief er aufgeregt: „Jetzt verstehe ich meinen Traum! Vor kurzem träumte ich nämlich, ich befände mich auf der Reise zu meinen Gemeindegliedern, um mir meinen Lohn auszahlen zu lassen – wie üblich in landwirtschaftlichen Produkten. In einem Dorf ging ich in die Studienhalle und hörte einem Gespräch zwischen einigen Männern an einem langen Tisch zu. Sie diskutierten erregt über ein gelehrtes Thema, das mir ganz einfach vorkam. Also erklärte ich es in einfachen Worten. Plötzlich rief eine laute Stimme von ganz hinten: „Wie kann dieser Mann es wagen, über dieses Thema zu reden? Er ist doch völlig ungebildet!“ Später im Traum war ich in einem anderen Dorf, wo die gleiche Szene sich wiederholte. So ging es weiter. In jedem Dorf trat ich in eine Studienhalle, lauschte einem gelehrten Disput und äußerte meine Meinung, über die dann jemand spottete. Im letzten Teil meines Traumes kam ein älterer Rabbiner zu mir und sagte: „Will dieser ungebildete Mensch seine Tochter immer noch nicht dem Sohn des Reichen geben?“ Dann wachte ich unruhig und verwirrt auf. Jetzt, nachdem du mir die Worte des Baal Schem Tow erzählt hast, verstehe ich den Traum. Darin bin ich gedemütigt worden und stimmte der Heirat zu. Diese ist offensichtlich im Himmel beschlossen worden!“
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