Die meisten Menschen im Stetl Roschweniz waren sehr arm, aber weil sie Chassidim waren, raubte die Not ihnen nicht die Freude am Leben, denn diese Freude verdankten sie ihrem Rebbe, dem großen Rabbiner Awraham Jaakow von Sadigora. Damals war es nicht einfach, zum Rebbe zu reisen. Es kostete viel mehr, als die meisten Leute sich leisten konnten, und darum gründeten sie einen Fonds, um die Reisekosten für eine Person aufzubringen. Jede jüdische Familie zahlte etwas ein, und bei besonderen Anlässen wurde einer ausgelost und reiste als Gesandter der Gemeinde zum Rebbe. Dieser unterhielt sich mit ihm und fragte nach den Chassidim in dem kleinen Dorf. Und wenn der Gesandte aufbrach, schenkte der Rebbe ihm immer eine Münze aus reinem Silber. Diese Münzen wurden Eigentum der Gemeinde und ihr kostbarer Schatz.

Einen Monat vor Chanukka wurde eine Versammlung anberaumt. Die Dorfbewohner freuten sich sehr auf dieses unerwartete Ereignis. Der Verwalter der Synagoge sprach zu den Anwesenden: „Liebe Brüder und Schwestern, wir wollen heute über die heiligen Münzen unseres geliebten Rebbe sprechen. Wir haben jetzt viele Münzen und möchten sie alle einem frommen Silberschmied geben, damit er daraus eine schöne Menora macht.“

Aufgeregt murmelten die Gemeindeglieder Zustimmung. „Wir wollen die Menora in den Studiensaal stellen und an jedem Chanukkafest das Recht, sie anzünden zu dürfen, versteigern. Mit diesem Geld können wir dann die vielen Aufgaben unserer Gemeinde finanzieren: Essen und Medizin für die Kranken und Armen, Mitgift für arme Bräute und Löhne für die Lehrer.“ Die ganze Gemeinde träumte schon von der schönen silbernen Menora aus den heiligen Münzen des Rebbe!

Am ersten Abend von Chanukka war jeder Winkel der Synagoge gefüllt. An der Südwand stand die Menora, ein Meisterwerk des Silberschmiedes – edel geformt und im Licht funkelnd. Die Versteigerung begann, und bald wurden die armen und durchschnittlichen Leute überboten. Nur die Reichen machten weiter. Der Sieger war Reb Lipa, ein reicher Holzhändler. Aufgewühlt ging er zur Menora, rezitierte die drei Segenssprüche und zündete den Docht an.

Diese Szene wiederholte sich an jedem Chanukka-Abend. Die gleiche Versteigerung, die gleiche Begeisterung und das gleiche Ergebnis: Ein reiches Gemeindemitglied gewann. Die Armen im Stetl erkannten, dass die große Ehre keinem von ihnen jemals zuteil werden würde. Sie mussten sich damit begnügen, das Anzünden zu beobachten und „Amen“ zu sagen. Einem von ihnen gefiel das nicht. Reb Baruch, der Hufschmied, war mit ganzer Seele Chassid. Die Liebe zu seinem Rebbe erfüllte ihn, und er war traurig darüber, dass er die Menora kein einziges Mal anzünden durfte. Chanukka ging vorbei, und für die Dorfbewohner kehrte der Alltag zurück. Aber für Baruch hatte sich etwas geändert. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen. Er begann, jeden Tag ein wenig länger zu arbeiten, und sparte jeden Pfennig, den er zusammenkratzen konnte – denn er sehnte sich danach, die Menora anzuzünden. Monate vergingen, bis er eine stattliche Summe gespart hatte. Aber einen Monat vor Chanukka wurde seine Frau krank. Da keine Arznei ihr half, rief Baruch einen Arzt aus der Stadt. Dessen Honorar war enorm, und auch die Medikamente kosteten viel. G-tt sei Dank wurde die Frau wieder gesund; aber Baruchs mühsam gespartes Geld war weg.

Chanukka kann, und Reb Baruch war untröstlich. Er war der Erfüllung seines Herzenswunsches so nahe gewesen; nun aber war alles umsonst. Die Chanukka-Abende zogen vorbei, und Baruch schaute traurig zu, wie ein Licht nach dem anderen angezündet wurde.

Schließlich kam der achte und letzte Abend. Die Versteigerung verlief hektisch, und die Armen schauten zu, wie ihre reichen Brüder astronomische Summen für die Ehre boten. Baruch brach schier das Herz.

Plötzlich wurde es still. Alle Augen starrten den Mann an, der auf die Bima stieg. War das nicht Reb Baruch, der Hufschmied? Mit Tränen in den Augen wandte er sich an die Gemeinde: „Liebe Freunde, dies ist das zweite Jahr, in dem ich mich mit ganzer Seele danach sehne, die heilige Menora anzünden zu dürfen. Das ganze Jahr habe ich gespart, aber meine Frau wurde krank. G-tt gewährte ihr vollständige Genesung, aber mein Geld ist weg. Glaubt mir, Brüder, ich halte das nicht mehr aus. Meine Seele stirbt vor Sehnsucht. Darum mache ich euch einen Vorschlag. Mein Haus ist sehr klein und etwa 300 Kronen wert. Ich gebe es der Gemeinde. Ich werde weiter darin wohnen, aber als Mieter der Gemeinde. Erfüllt meine Bitte und macht die Seele eines armen Hufschmiedes wieder gesund!“

Alle waren über Reb Baruchs emotionale Worte gerührt. Viele weinten. „Reb Baruch hat die Versteigerung gewonnen!“, rief es aus jeder Ecke. Als er die silberne Menora anzündete, bebten alle Herzen beim Anblick der Flamme, die aus der Seele von Baruch, dem Hufschmied, emporstieg.