Viele von uns hegen eine angeborene, ausdauernde Loyalität zu unseren Vorurteilen. Wir werden an ihnen festhalten, - egal wie auch immer die Tatsachen aussehen mögen.

Erstmals wurde ich darauf aufmerksam, als vor etwa zwanzig Jahren mein Freund, der sich ebenfalls in rabbinische Studien in Chabad-Lubawitsch vertiefte, und ich unseren Sommer damit verbrachten, im Staat Montana Juden zu finden. Wir fuhren von Stadt zu Stadt, um in einigen dieser Städten nur eine bis zwei jüdische Familien zu finden und bemühten uns, an der Verstärkung ihrer jüdischen Identität und der Ermutigung, ihr Judentum auch zu praktizieren, beizutragen.

Wir wurden dort zur Kuriosität und zeichneten oft den Inhalt der lokalen Zeitungen. Diese Werbung erwies sich einerseits hilfreich, um ortsansässige Juden aus ihren Holzhäusern zu locken, und sorgte andererseits für einen herzlichen Empfang bei unseren Anrufen.

Trotzdem ärgerten mich diese Zeitungsartikel. Nachdem ich den Reportern stundenlang einen Vortrag über jüdische Identität gehalten und ihnen die Bedeutung von Schabbat, Koscher, Tefillin und Mesusa erklärt hatte ... aber was schrieben sie? Über "zwei chassidische Männer, die einen traditionellen schwarzen Hut und einen langen schwarzen Mantel tragen und in die Stadt eingerollt sind".

Der schwarze Hut war korrekt. Doch trugen wir vom Kragen an abwärts gewöhnliche Business-Anzüge. In aller Fairness zu den Reportern, neigen diese dazu, immer das dunklere Ende des Farbspektrums zu sehen. Wir waren schließlich nicht in der Stadt, um chassidische Trachten zu repräsentieren und wir hätten es vorgezogen, dass sich der Artikel auf den substanzielleren Teil unserer Botschaft konzentriert.

So ließen wir unsere Hüte eines Tages im Auto. Mein Partner trug einen hellgrauen Anzug zum Interview und auch ich zog den hellsten Anzug an, den ich hatte – eine hellbraun karierte Sportjacke.

Wie nicht anders zu erwarten, war auf der Titelseite der morgigen Zeitung ein Bild in voller Größe mit zwei hutlosen, hellgekleideten jungen Männern, die vor dem Zeitungsgebäude standen, zu finden. Der eine hielt ein Paar Tefillin und der andere einen Schabbat-Kerzenhalter in der Hand. Die Bildunterschrift lautete: "Tauber, 21 und Begun, 22, zwei chassidische Rabbiner mit traditionell schwarzem Hut und langen schwarzem Mantel, besuchen Montana auf einer Mission."

Wie fest Leute an ihre Vorurteile gebunden sind, wurde ich erneut erinnert, als ich die Reportage über den Streit um die Menora im internationalen Flughafen von Seattle-Tacoma sah.

Zum Fakt: Der Berater der Flughafenbehörde von Seattle, Michell Stein, zusammen mit Rabbi Elasar Bogomilsky, ein Chabad-Lubawitsch Rabbiner, der in Seattle ansässig ist, wollten am Flughafen SeaTac eine Chanukka-Menora aufstellen. Der Flughafen hatte bereits 14 große "Weihnachtsbäume" in allen Terminals verteilt.

SeaTac ist eine internationale Luftverkehrsdrehscheibe. Warum sollen wir die Botschaft der Menora nicht an die vielen tausend Reisende, die diesen Flughafen durchqueren, weitergeben? Es gibt eine öffentliche Menora auf dem Roten Platz, neben dem Eiffelturm, im Brandenburger Tor und in tausenden weiteren Orten in den Vereinigten Staaten und um den ganzen Globus. Der Gouverneur des Staates Washington ist stolz, selbst der Gastgeber einer Zeremonie zum Zünden der Menora im Kapitol zu sein.

Doch die zuständige Behörde von SeaTac wollten keine Menora. Nach mehreren Wochen des Hinausschiebens, der Doppelzüngigkeit und des plötzlich abgesagten Treffens der Opposition in der Flughafenverwaltung drohte Rabbi Bogomilskys Rechtsanwalt, rechtliche Schritte einzuleiten. Die niederträchtige Antwort des Flughafens lautete ... die Weihnachtsbäume wegzunehmen, da sie "den Ansturm an Extrawünschen der verschiedenen Religionen nicht bewältigen könnten".

"Rabbiner zwingt den Flughafen, Weihnachtsbäume zu entfernen," schrie es bereits in den Schlagzeilen. In den ersten 24 Stunden nach dieser Geschichte behaupteten die Nachrichtenagenturen, dass nach Aussage der Flughafenbeamten sich der Rabbiner durch die Bäume gekränkt fühle und damit drohe, den Rechtsweg zu beschreiten. Schließlich begannen die Medienberichte nach und nach wieder den eigentlichen Tatsachen zu entsprechen. Doch bei den meisten Lesern hatte sich bereits der ursprüngliche Eindruck manifestiert, dass dies Teil einer Kampagne "Krieg gegen Weihnachten" sei, - und eine Unmenge hasserfüllter Post erreichte jüdische Organisationen und Websites im ganzen Land.

Einige der Nachrichten hatten einen fast surrealen Charakter: Der Rabbiner wurde zitiert, beteuernd, dass er nichts gegen Weihnachtsbäume habe und niemals angedeutet habe, gerichtliche Schritte zu unternehmen, sondern einfach nur um das Recht kämpfe, eine Menora aufzustellen. Doch während des Interviews läuft im Hintergrund das News-Banner "Rabbiner drohte rechtliche Schritte einzuleiten – Weihnachtsbäume wurden entfernt." Während des Interviews stellt der Reporter seine Fragen mit bereits vorpräparierter Schlussfolgerung, ohne in Wirklichkeit überhaupt Notiz von der Antwort des Rabbiners zu nehmen.

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass es in den letzten 25 Jahren in der jüdischen Gemeinde andauernde Meinungsverschiedenheiten zwischen Rabbiner Bogomilsky und seinen Kollegen in der Frage gab, ob eine religiöse Zur-Schau-Stellung an öffentlichen Plätzen während der Winter-Festtage sinnvoll ist, wobei die Kollegen stets genau anderer Meinung als Rabbi Bogomilsky waren.

Der Anblick einer stolz brennenden Menora in der Nacht wird für den jüdischen Fortbestand wohltuender sein, als das Entfernen von 100 Weihnachtsbäumen ... Es gibt 300 Millionen Menschen in Amerika mit einer großen Mehrheit "stolzer Christen", aber unter ihnen leben auch etwa fünf Millionen Juden. Mit Beginn des Monats Dezember zieren alle Ecken und Winkel des Landes Weihnachtsbäume und die dazugehörigen Utensilien. Viele Juden fühlen sich durch diese Erscheinung herausgefordert: "Wie kann ich meine Kinder dazu erziehen, sich mit ihrem Judentum stolz und sicher zu fühlen, wenn diese unübersehbare Propaganda das Gegenteil zu behaupten scheint? Wie kann ich es vermeiden, mich ausgegrenzt, verärgert und diskriminiert zu fühlen?"

Die häufigste Antwort war bis vor kurzem noch: "Wir werden gegen die Bäume kämpfen! Wir werden sie vor Gericht bringen, wir werden die klare institutionelle Trennung von Kirche und Staat zitieren und alle religiösen Symbole von öffentlichen Plätzen entfernen lassen!"

Chabad-Lubawitsch hat einen anderen Weg gewählt: Hört auf, die Bäume zu bekämpfen und stellt stattdessen unübersehbar eine Menora auf! Verschwendet eure Bemühungen nicht damit, Amerika "weniger christlich" zu machen, sondern lasst Amerikas Freiheit hochleben, um Juden anzuspornen, ihr Judentum auszuleben. Wäre nicht eine positive Botschaft viel wirksamer als tausend Anti-Botschaften? Würde nicht der Anblick einer einzigen durch die Nacht hindurch brennenden Menora mehr für den jüdischen Stolz tun, als die Entfernung von tausend Bäumen?

Inzwischen schlossen sich die meisten jüdischen Gemeinden dieser Ansicht an. Doch ist es gar nicht lange her, dass Chabad-Lubawitsch auf heftigen Widerstand mit dem Vorschlag stieß, "die Menschheit mit Licht zu überströmen". Ich erinnere mich an ein Jahr in den Achtzigern, als ich die Begleitaktivitäten des öffentlichen Menora-Zündens zu Chanukka in demselben Seattle organisierte. Eine national jüdische Organisation brachte die Stadt vor Gericht, damit diese ihre Erlaubnis an Chabad-Lubawitsch zur Aufstellung einer Menora zurückziehe. Diese Organisation erklärte uns in sehr apologetischem Ton: "Bitte versteht, wir haben nichts gegen eure Menora, doch wir beschreiten den Rechtsweg, die Stadt zum Wegräumen der Weihnachtsbäume und Krippen zu bewegen. Daher müssen wir der Fairness halber auch die Menora bekämpfen ..."

Der Höhepunkt dabei ist, dass ein Chabad-Lubawitsch Rabbiner, der versucht hat, im SeaTac Flughafen eine Menora aufzustellen, in allen von Küste zu Küste ausgestrahlten Sendungen dargestellt wurde, als Jener, der den SeaTac Flughafen zum Entfernen der Bäume zu veranlassen...

Zu unserem Bedauern vertuscht der Flughafen immer noch die Gründe, warum einer der einzigen Plätze der Vereinigten Staaten die Menora-Bitte ablehnt. Doch hoffentlich wird er in der kurzen verbleibenden Zeit bis Chanukka ebenfalls das Licht erblicken!

Etwas aber sollten wir daraus lernen: Uns von Voreingenommenheit zu distanzieren! Stempeln wir unsere Mitmenschen nicht mit der Annahme ab, sie wüssten bereits alles über uns, z.B. was wir repräsentieren oder erreichen wollen. Würden wir uns bemühen zuzuhören, würden wir vielleicht anfangen, das zu schätzen, was der Andere sagt. Praktisch jeder sich im Rahmen einer Chabad-Aktivität darum Bemühende, Juden zum Praktizieren einer Mizwa anzuspornen, wurde mit allen gegenüber Chabad vorhandenen Vorurteilen konfrontiert. Unsere Aufgabe ist es nicht, einen möglichst guten Ruf zu gewinnen, das ist lediglich eine Nebenwirkung. Wir sollen uns nur darum bemühen, jedem Juden zu helfen, diejenige Mizwa auszuführen, zu der er eine besonders starke Verbindung hat, und dazu müssen wir ihm, d.h. seiner Seele zuhören. Wenn wir aber unserem Gesprächspartner zuhören, wird er auf dieselbe Weise reagieren. Es braucht zur Vertreibung der Dunkelheit nur ganz wenig Licht.

Ein fröhliches Chanukka-Fest!