„1980 kamen wir im Auftrag des Lubawitscher Rebben nach Wien“, erzählt Rabbi Jacob Biderman. „Nach ein paar Jahren eröffneten wir eine jüdische Schule, die ständig wuchs, wodurch wir einen Mangel an Klassenzimmern hatten. Die Kinder lernten in einem Wohnhaus, manchmal sogar im Treppenhaus. 1997 lernte ich Herrn Ronald Lauder kennen, der zur damaligen Zeit Botschafter der USA in Österreich war. Ich bat ihn um Hilfe. ,Ich bin bereit, den Bau eines wunderschönen Campus selbst zu finanzieren‘, teilte mir Herr Lauder mit. Doch er stellte eine Bedingung: ,Die Schule muss an einem ehrwürdigen Ort gebaut werden.‘ Ich erklärte ihm, dass die Schule im zweiten Wiener Gemeindebezirk liegen müsse, wo die meisten Juden leben. Dort sind die Straßen jedoch relativ eng und nicht besonders geeignet. Doch Herr Lauder bestand darauf, dass die Schule an einem ansehnlichen Ort gebaut werden sollte.

Zwischenzeitlich wandten wir uns an einen bekannten Architekten und baten ihn, Pläne zu erstellen, obwohl wir noch nicht genau wussten, wo die Schule gebaut werden würde. Dieser Architekt war bestens vernetzt und hatte viele Freunde in der Stadt. Eines Tages rief er mich an und sagte, dass ein Beamter des Rathauses, der gehört hatte, dass er einen geeigneten Platz für eine jüdische Schule suchte, den Augarten vorschlug – den renommiertesten Park in Wien. Dieser Park befindet sich am Rande des zweiten Wiener Bezirks.

,Hören Sie gut zu‘, sagte der Beamte zu ihm. ,Am Rande des Parks gibt es eine Fläche, die vor dem Zweiten Weltkrieg der jüdischen Gemeinde gehörte. Diese hatte dort nämlich Baracken für isolierte Tuberkulosepatienten errichtet. Die Nazis haben sie niedergebrannt. Die Schule kann dort gebaut werden.‘

Daraufhin informierte ich Herrn Lauder. Die Begeisterung war groß. Ich wandte mich an den Bürgermeister und er zögerte nicht. ,Das Gebiet gehört Ihnen‘, sagte er sofort. Glücklich und zufrieden krempelten wir unsere Ärmel hoch. Wir begannen, die städtischen Behörden zu durchlaufen und die erforderlichen Genehmigungen einzuholen. Doch dann begannen die Probleme.

Ich muss anmerken, dass in Wien eine Grünanlage fast schon als heilig gilt. Die Beamten teilten uns mit, dass die Öffentlichkeit diesen Bereich als Teil des Parks ansieht, und dass es zu Widerständen kommen könnte. Tatsächlich haben Fernsehsender und die Printmedien einen massiven Angriff gegen die Initiative gestartet. In den Geschäften wurden Unterschriftsstände aufgestellt. Die Anwohner hielten Protestversammlungen ab. Der Bürgermeister antwortete plötzlich nicht mehr auf meine Anrufe. Sogar das Oberhaupt der jüdischen Gemeinde erhob Einspruch mit der Begründung, die Initiative würde Antisemitismus schüren. Ich war schon der Verzweiflung nahe. Ich kann mir nicht erklären, warum mir erst zu diesem Zeitpunkt einfiel, dem Rebbe zu schreiben. Daher nahm ich Platz, schüttete mein Herz aus und bat um G-ttes Gnade, damit wir die Schule bauen können.

Einige Tage später erhielt ich einen Anruf von einem jüdischen Holocaust-Überlebenden, der aktiv in der Gemeinde war. Er teilte mir mit, dass eine wichtige Persönlichkeit mich treffen wolle. ,Mit Vergnügen‘, antwortete ich. Der Mann, Herr Hans Dichand, war Eigentümer, Verleger und Herausgeber der Kronen Zeitung – der größten und einflussreichsten Tageszeitung des Landes. Herr Dichand kam zu mir und sagte: ,In den 1950er Jahren veröffentlichte meine Zeitung einen Artikel, der einen antisemitischen Ton anschlug. Ich bin ein religiöser Mensch und habe das Alter von achtzig Jahren bereits überschritten. Ich möchte dies korrigieren. Bitte helfen Sie mir dabei.‘

In diesem Moment konnte ich die Dinge nicht einordnen. Ich schlug vor, dass die Zeitung ihre Unterstützung für Israel und gegen die Angriffe der arabischen Welt zum Ausdruck bringen sollte. Am Ende dieser Woche wurde im Zeitungsmagazin ein großes Foto eines fünfjährigen Jungen von der Hamas mit Gewehr in der Hand veröffentlicht. Darüber stand: „Schon in jungen Jahren werden sie zum Morden erzogen“. Die Zeitung startete eine Kampagne gegen den palästinensischen Terrorismus.

Zwei Wochen später bat der Mann um ein weiteres Treffen mit mir. ,Ich habe das Gefühl, dass es nicht genug ist. Was kann ich noch tun?‘, fragte er. Erst dann ist bei mir der Groschen gefallen. Ich erzählte ihm von der Schule und der öffentlichen Kampagne gegen sie. ,Verstanden‘, unterbrach mich Herr Dichand und verließ den Raum.

„Wir sind für Kinder!“, schrie am nächsten Tag eine Schlagzeile in der Zeitung. „Kinder und Bäume gehören zusammen“, lautete die Schlagzeile ein paar Tage später. Die Kampagne gegen uns drehte sich um hundertachtzig Grad zum Besseren. Plötzlich suchte der Bürgermeister nach mir. ,Warum hören wir nichts von Ihnen?‘, fragte er. Der staatliche Fernsehsender bat darum, einen Beitrag über die Schule zu senden. Das öffentliche Bewusstsein wurde immer aufmerksamer. Innerhalb weniger Wochen erhielt die Schule die Zustimmung aller Parteien in der Gemeinde. Die Grundsteinlegung fand in Anwesenheit von Regierungsvertretern und des israelischen Premierministers statt, und die Straße, in der sich der Bildungscampus befindet, wurde auf einstimmigen Beschluss des Stadtrats nach dem Lubawitscher Rebben benannt.“

Rabbi Biderman schließt seine Geschichte ab: „Ich habe zwei Stapel von Zeitungsausschnitten: Einen Stapel negativer Artikel, aus der Zeit vor dem Schreiben an den Rebben, und daneben einen Stapel von positiven Schlagzeilen aus den Tagen danach. Es war ein offensichtliches Wunder, das die ganze Stadt Wien mit eigenen Augen gesehen hat.“