Das Flugzeug startete, die Passagiere lehnten sich zurück und begannen einzuschlummern. Da verkündete der Kapitän: „Ich bedaure Ihnen mitteilen zu müssen, dass einer der Düsenmotoren nicht funktioniert, und wir wieder landen müssen. In den nächsten zwei Tagen wird die Maschine repariert. Dann können wir unsere Reise erneut beginnen...“

Jahrelang wirkte Rabbi Josef Weinberg aus New York als pendelnder Schaliach (Gesandter des Lubawitscher Rebben) in allen Teilen der Welt. Dieses Mal befand er sich auf dem Weg nach Südafrika. Die Maschine hob in Amerika ab und landete in Dakar in Westafrika, um aufzutanken. Vor dem Abflug in Dakar wandte sich ein Mann zu Rabbi Weinberg, stellte sich als David Pinto vor, und fragte ihn: „Sind sie Jude oder Inder...?“. David Pinto war selbst Jude. Zwischen den beiden entwickelte sich ein freundschaftliches Gespräch, welches mit dem Versprechen des jungen Mannes endete, jeden Tag Tefilin anzulegen. Rabbi Weinberg spürte, dass er damit seine wichtige Mission während des kurzen Aufenthalts in Dakar erfüllt hatte. Doch als das Flugzeug ein zweites Mal auf den Boden Dakars landete, sah Rabbi Weinberg ein, dass ihm anscheinend eine weitere Aufgabe in dem fremden Land vorbestimmt war. Plötzlich lief es ihm eiskalt über den Rücken, als er sich an eine Jechidut (ein privates Gespräch mit dem Rebben) erinnerte, bevor er seine Reise begann. In der Jechidut beschrieb Rabbi Weinberg dem Rebben seine Reiseroute. Da fragte ihn der Rebbe: „Wirst Du auf dem Weg einen Halt für einen oder zwei Tage machen?“ „Nein“, erwiderte Rabbi Weinberg. „Unsere einzige Landung wird nur ein oder zwei Stunden dauern, nämlich um aufzutanken.“ Der Rebbe fragte wiederum: „Wird denn nirgendwo für einen oder zwei Tage angehalten?“ Der Rabbi wiederholte seine Antwort, doch dieses Mal mit ein wenig Unsicherheit. „Dann habe einen sicheren Flug“, segnete ihn der Rebbe.

Nun begriff Rabbi Weinberg, dass der Rebbe eben diese zweitätige Verzögerung in Dakar angedeutet hatte. Da blieb ihm kein Zweifel, dass er während dieser Zeit eine Mission erfüllen musste. Er begab sich in die Stadt und begann nach Juden zu suchen. Er ging von einem Platz zum anderen und geriet beinahe in Verzweiflung, bis ihn schließlich jemand zu einem Geschäftsmann auf der gegenüberliegenden Straßenseite hinwies.

Im Büro saß ein junger Mann namens Klement Baggio. Er erzählte Rabbi Weinberg über vier weitere jüdische Familien, welche in Dakar lebten. Er war aus dem Libanon und kam nach Dakar, um seinem Onkel bei seinen Geschäften zu helfen. „Ich verdiene hier reichlich, aber vom Judentum blieb mir so gut wie nichts übrig. Nicht einmal Tefilin besitze ich“, sagte er. Rabbi Weinberg bot Klement an, mit ihm in sein Hotelzimmer zu kommen und dort Tefilin anzulegen. Der Mann begleitete ihn mit Freude. Der Rabbi versprach, ihm Tefilin zu schicken, falls er sich vornehme sie regelmäßig anzulegen. Klement war einverstanden, gab jedoch einen Seufzer von sich...

In den kommenden achtundvierzig Stunden war Rabbi Weinberg damit beschäftigt, mit den anderen jüdischen Familien in Kontakt zu treten, und dabei entdeckte er weitere Juden. Unter diesen fand er wiederum David Pinto, welchen er zu Beginn am Flughafen traf, und jener war erstaunt festzustellen, dass es noch andere Juden außer ihm in Dakar gab. Rabbi Weinberg machte Bekanntschaft mit allen, bis aus den wenigen Juden Dakars eine „kleine Gemeinschaft“ wurde.

Am Tag des Rückflugs wurde Rabbi Weinberg von der „jüdischen Gemeinde Dakars“ mit Jubel und Dankesworten verabschiedet. Doch besonders Klement Baggio, welcher ihn zum Flughafen begleitete, fühlte sich ihm sehr verbunden. Rabbi Weinberg fühlte, dass Klement etwas belastete. Er sprach ihn darauf an, und Klement öffnete dem Rabbi sein Herz. Vor einiger Zeit lernte er ein nichtjüdisches Mädchen kennen. Er war sich des strengen Verbotes der Mischehe bewusst, doch seine Lage sei nicht einfach, denn in Dakar gab es keine jüdischen Mädchen, und selbst sein Onkel, der Geschäftsleiter, war mit einer Nichtjüdin verheiratet. Rabbi Weinberg hielt die Hand des jungen Mannes, blickte ihm tief in die Augen und sagte: „G-tt behüte! Du bist Jude, und Du musst alles dafür tun, dass Deine Frau und Kinder ebenfalls Juden sind. Versprich mir, dass Du nach Frankreich fährst, um dort ein jüdisches Mädchen zu suchen, um mit ihr eine jüdische Familie zu gründen.“ Klement umarmte den Rabbi und erwiderte: „Ich gebe Ihnen mein Wort darauf!“ Sie verabschiedeten sich voneinander, und der Rabbi bestieg das Flugzeug.

Als er in Südafrika ankam, sendete er dem Rebben einen Brief, in welchem er die drastische Lage der Juden Dakars schilderte. Sobald der Rebbe den Brief erhielt, schickte er unverzüglich Teflilin, Ziziot, Mesusot und Thorarollen an die kleine jüdische Gemeinde in Dakar. Vor dem Pessachfest schickte das Sekretariat des Rebben auch Mazzot dorthin.

Rabbi Weinberg erhielt darüber einen interessanten Bericht: David Pinto und Klement Baggio, welche inzwischen enge Freunde wurden, schrieben ihm, dass sie mit den Mazzot einen gemeinsamen Sederabend mit allen Juden Dakars gefeiert hatten. Dabei hätten die Anwesenden zwischen dem Moses aus der Pessachgeschichte und dem „Moses“ unserer Generation verglichen, welcher selbst für die Juden an den entlegensten Orten sorgte.

Nach geraumer Zeit bekam Rabbi Weinberg von Klement eine Einladung zu seiner Hochzeit. In einem beigelegten Brief schrieb er, dass er seine jüdische Braut, welche ebenfalls aus dem Libanon stammt, in Paris gefunden hatte, wie versprochen...