Die Philosophie des Lubawitscher Rebben bestand immer darin, jedem Juden mit Wärme und Liebe zu begegnen und das Judentum in alle Ecken der Welt zu verbreiten. Die „orthodoxe Gemeinde Jerusalems“ hingegen vertrat eine ganz andere Ansicht; sie vermied jegliche Annährung zu Juden, welche nicht nach dem Geist der Thora lebten. Der damalige Vorsitzende der orthodoxen Gemeinde, Rabbi Jossef Scheinberger, war viel auf Reisen, und bei seinen Besuchen in den USA wurde ihm jedes Mal die Ehre zuteil, den Rebben unter vier Augen zu sprechen. In ihren Gesprächen äußerte er seine Auffassung und Ideologien und vernahm den Standpunkt des Rebben. Zwischen den beiden gab es auch Briefkontakt.
Eines Tages wurde in der orthodoxen Zeitschrift „Neture Karta“ ein scharfer Artikel gegen die Chabad-Bewegung veröffentlicht. Der Verfasser, ein anerkannter Sofer (Thora-, Tefilin- und Mesusot-Schreiber) in Jerusalem, verhöhnte hemmungslos Chabad, den Lubawitscher Rebben und all seine Vorgänger. Kurze Zeit nachdem der Artikel veröffentlicht worden war, bekam Rabbi Scheinberger einen Brief vom Rebben, in welchem er zu dem Inhalt des Artikels Stellung nahm. Unter anderem schrieb der Rebbe, dass wenn der Verfasser fähig war derartig böse Dinge zu schreiben, er dringend seine Tefilin überprüfen lassen sollte. Rabbi Scheinberger wandte sich sofort an jenen Sofer und wies ihn auf die Veröffentlichung des Artikels zurecht. Er richtete ihm im Namen des Rebben aus, dass er dringend seine Tefilin prüfen sollte. Um seine Frömmigkeit zu beweisen, übergab der Sofer die Tefilin unverzüglich zur Kontrolle, und sein Jubel war groß, als seine Tefilin für völlig in Ordnung erklärt wurden. Rabbi Scheinberger berichtete dem Rebben davon, doch der Rebbe wiederholte die Notwendigkeit, die Tefilin zu kontrollieren und fügte hinzu, dass der Sofer unreine Gedanken während des Schreibens der Tefilin hat, und dieser Sache auf den Grund gegangen werden muss. Die Angelegenheit blieb unaufgeklärt.
Seitdem vergingen viele Jahre. Eines Tages wandte sich der Montschker-Chassid Rabbi Chaim Zwi Schwarz an den Lubawitscher Rebben und bat um Segen für einen seiner Verwandten.
„Dies geschah einige Tage vor Jom Kippur“, erzählte er. „Ich hatte geplant, den ganzen Monat der Feiertage beim Lubawitscher Rebben zu verbringen. Einmal wurde ich zum Rebben geladen; der Grund war für mich äußert überraschend. Der Rebbe ordnete mir an, meine Tefilin kontrollieren zu lassen, obwohl ich sie vor kurzem bei einem g-ttesfürchtigen Sofer gekauft habe. Doch ich ließ die Tefilin sofort überprüfen. Am Tag vor Jom Kippur holte ich meine Tefilin ab. Der Sofer zeigte mir die Schriftrollen und sagte entsetzt, dass in einem der Abschnitte ein ganzes Wort fehlte! Dies machte die Tefilin völlig untauglich. Ich war sehr erschrocken. Der Sofer, welcher die Tefilin geschrieben hatte, galt als einer der größten Fachmänner in Jerusalem. Wie war es möglich, dass er ein ganzes Wort ausgelassen hatte?! Ich wandte mich wieder mit der bitteren Nachricht über meine Tefilin an den Rebben. Er erwiderte, dass ich meinen Rückflug nach Israel vorverlegen sollte, um die Tefilin dort so bald wie möglich korrigieren zu lassen. Ich bestieg die erste Maschine nach Jom Kippur und flog Heim. Hier sah ich deutlich die g-ttliche Hand“, erzählte Rabbi Schwarz weiter. „Als ich in Israel ankam, fuhr ich nach Jerusalem und ich begab mich in die Mikwe. Dort traf ich – wie vom Himmel geschickt – den Sofer, welcher mir meine Tefilin geschrieben hatte. Er war fassungslos zu hören, dass ihm ein schwerer Fehler beim Schreiben der Tefilin widerfahren war. Als wir die Mikwe verließen, fragte der Sofer plötzlich: „Hat Dir der Lubawitscher Rebbe angeordnet, die Tefilin überprüfen zu lassen?“ Ich nickte, und er äußerte sich in Bitternis: „Was will er von mir?! Weshalb kommen immer wieder Juden zu mir, denen ich Tefilin geschrieben habe, und nachdem der Rebbe ihnen anordnet sie zu überprüfen, stellt sich heraus, dass die Schriftrollen untauglich sind?!“
Ich fragte vorsichtig, ob er mit dem Rebben jemals eine Auseinandersetzung hatte. Nach kurzer Gedankenpause erinnerte er sich, dass er vor Jahren einen aggressiven Artikel in einer Zeitschrift gegen Chabad veröffentlicht hatte.
„Einige Zeit nach der Veröffentlichung des Artikels,“ erzählte er weiter, „zeigte mir Rabbi Scheinberger einen Brief, welchen er vom Lubawitscher Rebben erhalten hatte. Im Brief stand, dass die Tefilin des Artikelverfassers kontrolliert werden sollten. Ich übergab meine Tefilin dem Rabbinat Jerusalems, und wie ich schon wusste, waren sie völlig in Ordnung“, beendete der Sofer mit spöttischem Unterton.
„Ich überlegte einen Moment“, erzählte Rabbiner Schwarz, „und plötzlich wurde mir alles klar. Ich sagte zum Sofer: „Der Lubawitscher Rebbe meinte nicht die Tefilin, mit denen Du betest, sondern die Tefilin, welche Du für andere schreibst!“ Der Sofer erblasste vor Schreck, und reuevolle Tränen befeuchteten seine Augen“, beendete Rabbiner Schwarz seine Geschichte.
Als Rabbi Scheinberger von der Sache erfuhr, war er erschüttert. Sein Enkelsohn fügte hinzu, dass immer, wenn sein Großvater diese Geschichte erzählte, seine Lippen zitterten, als er sie mit den Worten abschloss: „Mit einem Mann, auf welchem derartig der Geist G-ttes ruht, sollte man sich nicht anlegen...“
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