Vor langer Zeit lebte ein König, dessen engster Freund ein Oberrabbiner war. Oft rief der König ihn in den Palast und erörterte mit ihm Probleme, die mit der Regierung zu tun hatten. Manchmal stellte er ihm Fragen zur Torah und zum Judentum. Der Rabbiner beantwortete alle Fragen geduldig und klug. Eines Tages ließ der König seinen Freund wieder rufen. Der Rabbiner sah, dass der König sehr aufgeregt war. „Ich finde keine Antwort auf eine Frage, die mich seit einiger Zeit quält.“ Der Rabbiner sagte: „Mit G-ttes Hilfe werde ich sie beantworten.“

„Beim Studium deiner Religion“, sagte der König, „habe ich gelernt, dass ihr an einen G-tt glaubt, der Himmel und Erde erschaffen hat. Aber bevor wir daran glauben können, müssen wir sicher sein, dass es einen G-tt gibt. Welchen Beweis haben wir dafür, dass G-tt die Welt erschuf? Vielleicht ist sie von selbst entstanden.“ Während der König sprach, stieß er versehentlich eine Flasche Tinte um. Die Tinte lief heraus und bespritzte die Papiere auf dem Tisch und die Kleidung des Königs. Der König sprang auf und bat den Rabbiner zu warten. Dann verließ er den Raum, um sich umzuziehen.

Kaum war der König gegangen, sammelte der Rabbiner die schmutzigen Papiere ein und warf sie weg. Dann nahm er ein sauberes Blatt Papier und zeichnete ein Bild: hohe Berge, Bäume, einen Fluss und schöne Blumengärten. Als er fertig war, legte er das Bild neben die umgefallene Tintenflasche, so dass es aussah, als sei Tinte auf das Papier gespritzt. Er setzte sich wieder und wartete ruhig auf den König. Als dieser zurückkam, bemerkte er sofort die schöne Zeichnung auf dem Tisch.

„Was ist das?“, fragte er überrascht. „Wer hat diese wunderschöne Szene gezeichnet?“ Der Rabbiner sah ihn unschuldig an und sagte: „Das Bild entstand, als Tinte auf das Papier spritzte!“ Der König lachte. „Das ist doch nicht dein Ernst! Eine Zeichnung wie diese kann nicht von selbst entstehen. Jemand muss sie gemacht haben.“

„Bitte kommt mit mir auf den Balkon“, bat der Rabbiner. Draußen sagte er: „Majestät, sagt mir, wo all diese Bäume herkommen. Wer hat diese Berge geformt, und wer hat die schönen Blumen in Eurem Garten gemacht?“ Der König nickte nachdenklich. „Vor ein paar Minuten“, fuhr der Rabbiner fort, „habt ihr selbst gesagt, es sei töricht zu behaupten, das Bild sei von selbst entstanden. Natürlich habe ich es gezeichnet, um zu beweisen, dass G-tt die Welt erschuf. Denn wer anders als G-tt machte den Himmel, die Sonne, den Mond und die Sterne? Wer füllte die Meere und formte die hohen Berge? Die Antwort ist so offensichtlich wie die Zeichnung auf Eurem Tisch.“

Der König war beeindruckt und zufrieden mit der Antwort seines Freundes. Er freute sich noch viele Jahre lang über die Klugheit und das Wissen des Rabbiners.