Die Propheten haben uns mitgeteilt, dass vor dem Kommen des Maschiach eine große Schofar ertönen wird. Traditioneller Weise weckt die Schofar in uns das Verlangen, zu G-tt zurückzukehren (Teschuwa). Zweifellos hallen die Noten der großen Schofar schon in den jüdischen Gemeinden. Wir leben nämlich in der Epoche des Baal Teschuwa (Meister der Teschuwa). Auf der ganzen Welt gibt es Tora-Akademien (Yeschiwot), in denen junge Menschen zu ihren Wurzeln zurückkehren, sich dem Torastudium widmen und die Gebote (Mitzwot) halten. Das stellt die Einleitung der letztendlichen Erlösung mit Maschiach dar. Der „Rückkehrer“ (Chozer BeTeschuwa) transformiert schrittweise seinen Glauben, seine Kleidung und seine Toratreue. In diesem Kapitel werden wir sehen, was in der Kabbala in Bezug auf Teschuwa geschrieben steht, und was ihr kosmischer Effekt ist.

Das Wort Teschuwa wird meist als Reue übersetzt. Tatsächlich gibt es ein bekanntes Gebet, das an den Hohen Feiertagen gebetet wird. Es besagt, dass Teschuwa, Tefilla und Tzedaka (Reue, Gebet und Almosen) das schlimme Urteil abwenden können. Anstelle von „Reue“ sollte jedoch besser „Rückkehr“ für Teschuwa stehen, da Teschuwa die Rückkehr zum Ausgangszustand ausdrückt. Klassischerweise besteht Teschuwa aus drei Teilen:

Das Bereuen der falschen Tat,
der Entschluss, sich zu bessern,
die verbale Bekundung der Sünden.

Grundsätzlich sollte man, sobald man gesündigt hat, Teschuwa praktizieren. Die Zehn Tage der Teschuwa zwischen dem jüdischen Neujahrsfest (Rosch Haschana) und dem Versöhnungsfest (Jom Kippur) sind insbesondere der Teschuwa gewidmet. In diesen Zehn Tagen sind die Tore des Gebets und der Reue weiter auf, als an jedem anderen Tag des zyklischen jüdischen Jahres.

Kabbalistisch gesehen hat Teschuwa eine kosmische Dynamik. Das Wort „Teschuwa“ im Hebräischen kann als „taschuw hey“ (den Buchstaben Hey zurückbringen) gelesen werden. Der letzte Buchstabe Hey im Tetragrammaton bezieht sich auf die Sefira Malchut, die mit der G-ttlichen Gegenwart (Schechina) gleichbedeutend ist, und zeigt, wie G-tt sich als Herrscher in der Schöpfung manifestiert.

Das hebräische Wort für Jerusalem, die heilige Hauptstadt, ist Yeruschalayim. Dieses Wort besteht tatsächlich aus zwei Worten: Yira Schalem (tadellose Ehrfurcht). Wenn das jüdische Volk sich dieser Tatsache ganz bewusst ist, dann ruht die G-ttliche Gegenwart (Schechina) in Jerusalem. So war es in den Tempelzeiten. Als die Juden aber wegen ihrer Unempfindlichkeit gegenüber G-ttlichkeit gesündigt haben, hat sich die Schechina entfernt. Danach wurde Jerusalem zerstört. Der Name G-ttes wurde „zerbrochen“, und der letzte Buchstabe Hey, der die Schechina darstellt, ging ins Exil.

Teschuwa ist demnach der Vorgang, durch den der Name G-ttes wieder komplettiert wird. Das Hey wird wieder angefügt, und die Schechina ruht in Jerusalem im wieder aufgebauten Tempel. Der physische Zustand von Jerusalem entspricht ganz und gar dem geistigen Zustand Yeruschalayims (tadellose Ehrfurcht). So gesehen entspricht Teschuwa der erneuten Sensibilisierung gegenüber der G-ttlichen Gegenwart. Damit bringt man die Welt zu ihrem ursprünglichen Zustand im Garten Eden, wo die Gegenwart der Schechina manifest war.

Jeder einzelne muss Teschuwa praktizieren. Im Talmud steht, dass man alle seine Tage damit verbringen sollte, Teschuwa zu praktizieren. Im Sohar wird sogar noch weiter gegangen, indem dort geschrieben steht, dass der Gesalbte (Maschiach) kommen wird, damit Tzaddikim (Gerechte) Teschuwa praktizieren. Diese Aussage lässt die Frage offen: Warum sollte ein Tzaddik, der erfolgreich seine Böse Neigung bekämpft hat, Teschuwa praktizieren?

Es gibt einen Unterschied zwischen einem Tzaddik und einem Baal Teschuwa. Ein Gerechter hat niemals gesündigt. Er erfüllt den Willen G-ttes ständig. Der Baal Teschuwa ist jedoch vom guten Weg abgekommen. Er ist über seine G-ttesferne sehr enttäuscht. Sein geistiges Verlangen ist viel stärker als das des Gerechten. Obwohl sein Sündenfall, oberflächlich betrachtet, aufgrund der Bösen Neigung stattfand, war die innere Absicht ein Fall, um dann wieder aufzusteigen. Wenn man aus reiner G-ttesliebe Teschuwa praktiziert, dann werden seine Sünden in Verdienste umgewandelt. Der Sündenfall wird zum Sprungbrett, das den Zurückkehrer (Baal Teschuwa) von der Dunkelheit zu geistigen Höhen katapultiert.

Der Gerechte hat nicht die Stärke des Rückkehrers. Daher ist der Baal Teschuwa auf einer höheren Ebene als der Gerechte. Wenn Maschiach kommt, dann wird sogar der Gerechte erkennen, dass, obwohl er niemals absichtlich gesündigt hat, seinem Dienst an HaSchem die Begeisterung fehlte. Dann wird er auch dieses starke geistige Verlangen verspüren, das für den Baal Teschuwa kennzeichnend ist. In dieser Ära wird sogar der Gerechte Busse tun.

Die Offenbarung Maschiachs hängt von unseren Taten in der Zeit des Exils ab. Maimonides schreibt, dass Teschuwa die Vorbedingung für die Erlösung ist. Er schreibt: „In der Tora verspricht G-tt, dass sie am Ende des Exils Teschuwa praktizieren werden und dann sofort erlöst werden“. In unserer Generation bedeutet das, dass wir uns, - und die Welt um uns - in all diesem Chaos gegenüber der G-ttlichen Gegenwart erneut sensibilisieren. Dies ist es, was der Lubawitscher Rebbe das „Leben mit Maschiach“ genannt hat: Obwohl wir in der Moderne mit all ihren Annehmlichkeiten leben, sollten wir am Boden zerstört darüber sein, dass G-ttlichkeit nicht offensichtlich ist. Unsere weltlichen Aktivitäten sollten von dem Verlangen, G-tt in all Seinen Wegen kennen zu lernen, durchdrungen sein. Tatsächlich ist in bestimmter Hinsicht die Verwandlung des Irdischen in Heiliges die höchste Stufe der Teschuwa. Das ist das deutlichste Zeichen dafür, dass G-ttlichkeit nicht auf bestimmte Zeiten religiöser Taten beschränkt ist, sondern dass die Verbindung mit dem G-ttlichen alle Lebenssituationen einschließlich der profansten Bereiche umfasst.

Es soll hier nochmals betont werden, dass Teschuwa heutzutage von großer Freude begleitet sein muss. Die stärkste Waffe der Bösen Neigung ist Depression. Wenn die Seele einmal in Gefühlen der Hilf- und Hoffnungslosigkeit gefangen ist, dann ist es sehr schwer, die Energie aufzubringen, die zur Introspektion (Selbstbeobachtung) und Selbstverbesserung benötigt wird. Selbst wenn man eine schlimme Sünde begangen hat, schadet langwierige und exzessive Trauer der Seele der meisten Menschen in unserer Generation.

Teschuwa muss mit viel Simcha (Begeisterung, Freude und Gefühl) praktiziert werden. Das größte Geschenk, das G-tt einem Menschen geben kann, ist die Möglichkeit, aus dem Morast der Sünde zur reinen und ewigen Verbindung mit Ihm erhöht zu werden.