Der Monat Elul ist alljährlich die Zeit, da die jüdische Gemeinschaft vom Geist der Tschuwa beseelt ist. Das alte Jahr klingt aus mit Tschuwa während der Slichot-Tage; das neue Jahr wird im gleichen Geiste durch die Zehn Bußtage eingeleitet; und der heiligste Tag im Kalender, Jom Kippur, stellt gleich zu Anfang des Jahres den Gipfelpunkt dar, indem hier die zentrale Stellung von Tschuwa im jüdischen Leben betont wird.
Was aber eigentlich ist Tschuwa – eins der mächtigsten Potentiale, die dem Juden von seinem Schöpfer gegeben sind?
Die Mizwa von Tschuwa: Tschuwa hat zweierlei Aspekte: einmal ist in diesem Begriff die aufrichtige Reue für das Negative der Vergangenheit – die Sünden und bösen Taten – enthalten, auf der anderen Seite wird gleichzeitig damit für die Zukunft der feste Entschluss gefasst, nicht wieder zu versagen.
Was die Tschuwa erreicht: Das Wort "Tschuwa" geht auf eine hebräische Wurzel zurück, die "zurückkehren" bedeutet, und somit ist hierin das Streben ausgedrückt, dass man zu einem früheren und unbefleckten Zustand zurückkehrt. Dadurch ist der reuige Mensch in die Lage versetzt, "sich zu rehabilitieren" und G-ttes Gunst wieder zu erlangen, so dass er "G-tt, in Seiner Gnade, wieder angenehm ist und von Ihm geliebt wird, wie es ja vor der Sünde auch der Fall war" ("Iggeret HaTschuwa" – Tanja, 3. Teil – Brief 2). Wenn diese Reue bedingungslos und ernsthaft ist, dann ist es dem reuigen Menschen gegeben, seine Zukunft so zu gestalten, dass sie keine Makel mehr aufweist, und zwar nicht bloß in seinen Taten sondern ebenso in seinen Worten und Gedanken.
Die besondere Kraft der Tschuwa: Das Wunder der Tschuwa besteht darin, dass damit die Schmutzflecke der Vergangenheit entfernt werden können; mit anderen Worten: Sie hat rückwirkende Gültigkeit. Denn obwohl die Vergangenheit nicht mehr unter des Menschen Kontrolle steht, hat G-tt – Der von der Kategorie "Zeit" nicht gefesselt ist, Der über der Zeit wie über allen anderen Begrenzungen steht – die Tschuwa mit einer ihr eigenen und wundersamen Befähigung ausgerüstet, aufgrund derer der Mensch die Herrschaft über seine Vergangenheit wieder erlangen kann. Durch diese wesentliche Eigenschaft der Tschuwa ist dem Menschen die Möglichkeit geboten, nicht allein die Vergangenheit zu neutralisieren und wirkungslos zu machen, sonder sie sogar umzuformen und in etwas Positives zu verwandeln. Zum Beispiel mag jemand, vom Geiste der Tschuwa erhellt, so von seinen früheren Sünden, von seinem spirituellen Versagen, angewidert werden, dass er sich ganz außerordentliche Mühe in Bezug auf Tora-Studium und G-ttesdienst gibt. In einem solchen Falle sind es doch die Missetaten selbst, die ihn zu größerem Verlangen nach G-tt geführt haben; in seinem Falle werden sie deshalb behandelt, "als seien sie Verdienste" (Talmud, Joma 86b).
Zwei Gefühle bei Tschuwa: Zusammen mit den bitteren Gedanken, die den Reuigen beseelen, soll er sich dennoch auch der Freude hingeben, und zwar aus zwei Gründen: Nach Maimonides ("Jad", Ende von Hilchot Lulav) muss der Jude jede Mizwa fröhlich ausüben, denn jede Mizwa bedeutet die Erfüllung eines Gebotes G-ttes. So auch hier: nachdem Tschuwa eine Mizwa ist, muss sie fröhlich getan werden (s. Rabbenu Jona, Brachot, Anfang von Kap. 5; Schalo zu Ki Tawo; Tanja, Kap. 26). Zweitens ist es das innerste Anliegen von Tschuwa, sowohl der Bitterkeit wie der Freude einen Platz einzuräumen – Bitterkeit und Zorn ob seiner "tierischen Triebe", die den Menschen erniedrigt und zur Sünde geführt haben, und Freude in der Erkenntnis, dass mit der Tschuwa seine "G-ttliche Seele" zu ihrem Vater zurückkehrt (s. Tanja, Kap. 31-34; "Iggeret HaTschuwa", Kap. 11).
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