Was können wir über G-tt sagen? Maimonides beginnt sein großes Werk, die Mischne Tora (Neuformulierung der Tora) mit den folgenden Worten: „Die Grundlage aller Grundlagen und die Stütze allen Wissens ist zu wissen, dass es eine Grundexistenz gibt, die alles Sein ins Leben ruft. Alle Geschöpfe des Himmels, der Erde und dessen, was dazwischen ist, wurden nur durch die Wahrheit Seiner Existenz ins Leben gerufen.“
Chassidut nennt dies Grundexistenz Atzmut, abgeleitet von dem Wort Etzem, was „Das Wesentliche“ bedeutet. Das Wesen G-ttes ist ganz und gar unabhängig von jedem anderen existierenden Wesen. Alle anderen Wesen hängen von G-tt ab, aber Er braucht nicht andere Wesen und hängt nicht von anderen Wesen ab. Daher kann man Ihn als die wahre Existenz charakterisieren. Die Erklärung der obigen Aussagen ist, dass jedes Wesen nur existiert, weil G-tt will, dass es existiert. Er lässt ständig G-ttliche kreative Energie in dieses Wesen hineinfließen. Wenn G-tt nur einen Augenblick lang aufhören würde, diese kreative Energie zu erzeugen, dann würde dieses Wesen nicht mehr bestehen. Dieses Geschöpf ist daher ganz und gar auf G-tt angewiesen. Dagegen ist G-ttes Existenz Atzmut und stammt aus keiner anderen Existenz, die Ihm vorausgegangen wäre. Er hat keinen Anfang und kein Ende. Er war, ist und wird immer sein.
Es ist unmöglich, das Wesen G-ttes zu beschreiben. G-tt hat keinen Körper. Daher treffen körperliche Konzepte und emotionale Aspekte nicht auf Ihn zu. Es gibt nichts, was Ihm ähnlich ist. Es ist einer unserer Glaubenssätze, dass G-tt Einer ist, ein Glaubenssatz, der nicht nur bedeutet, dass er ein einziges Wesen ist, sondern auch, dass G-tt alles und überall ist.
Man darf nicht über Atzmut als Offenbarung sprechen, da G-ttes Wesen weder offenbar noch verborgen ist. Um es mit Tikkunei Sohar zu sagen: „Du bist erhöht über alle Erhöhten, verborgen vor allen Verborgenen; kein Gedanke kann Dich begreifen.“ Da keiner Atzmut verstehen kann, darf man keine Beschreibungen verwenden. Wir beziehen uns jedoch auf G-tt als den Schöpfer. Dies beschränkt G-tt nicht auf die Tatsache, dass er die ganze Welt erschafft und erhält. Dennoch reflektiert die Schöpfung Sein Wesen. Er allein kann etwas aus totalem Nichts erschaffen, d.h. seinem Werk geht keine andere Ursache voraus. Wie in einem späteren Kapitel näher erklärt werden wird, manifestiert sich das Wesen G-ttes gerade in dieser physischen Welt. Zudem ist das wahre, unendliche Wesen G-ttes in der physischen Welt offenkundig, indem es unbegrenzte Vielfalt erzeugt.
In der Kabbala wird der Schöpfungsprozess näher untersucht, d.h. wie aus Atzmut eine dingliche Schöpfung erschaffen wurde. In ihr werden im Einzelnen alle Schritte dieses Schöpfungsprozesses festgelegt und Seder Hischtalschalut – „die kettenartige Reihenordnung der Schöpfung“ - genannt. Der Begriff Kette zeigt, dass es viele wichtige und sinnvolle Glieder gibt, die alle miteinander verbunden sind. Der hebräische Begriff für „Welt“ ist olam. Er ist etymologisch mit dem Begriff Helem (Verbergen) verwandt. In Seder Hischtalschalut gibt es höhere und niedrigere Welten. In den höheren, himmlischen Welten ist G-ttes Gegenwart offenkundiger und weniger verborgen. Die Wesen in diesen Welten sonnen sich ununterbrochen im Licht des Or Ein Sof (Unendlichen Lichts). In den niederen Welten, die vom Stofflichen beherrscht sind, ist die G-ttlichkeit mehr verborgen. Die stoffliche Welt, in der wir leben, wird Olam Hatachton genannt, „die niedrigste aller Welten“. Es ist die Welt, in der G-ttes Gegenwart am meisten verborgen ist. Man sollte bedenken, dass alles, was man in unserem Kosmos sehen kann in der niedrigsten aller Welten, also der dinglichen Schöpfung, angesiedelt ist. Wenn wir von höheren Welten sprechen, meinen wir nicht die Planeten im Weltraum, sondern höhere metaphysische Ebenen. Zeit und Raum sind auch Geschöpfe der stofflichen Schöpfung. Die höheren Welten unterliegen diesen Faktoren nicht. Sie haben jedoch ihre geistigen Begrenzungen. Eine nähere Beschreibung dieser Welten wird in einem späteren Kapitel gegeben werden.
ב"ה
G-tt
Zehntes Kapitel
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