In Nikolsburg war es Brauch, berühmte Gäste, die den Schabbat in der Stadt feierten, um eine Rede zu bitten. Einmal war Rabbi Jaakow von Lisa anwesend, und auch er wurde gebeten, die Einwohner mit einer Ansprache zu ehren. Wie es sich gehörte, erschienen auch der Rabbi des Ortes, Mordechai Banet, und seine vielen Talmidim zu Ehren des Gastes.

Die Rede war ein wahres Wunder an Form und Tiefgang. Alle waren von Ehrfurcht ergriffen ob Rabbi Jaakows Gelehrsamkeit. Wer eine Frage stellte, bekam klare Antworten.

Als der Gast jede Frage zur allgemeinen Zufriedenheit beantwortet hatte, meldete sich Rabbi Mordechai mit einer Frage, die das Fundament des Schiur erschütterte. Rabbi Jaakow hörte zu, versuchte aber nicht zu antworten. Er verließ einfach das Rednerpult und ging in seine Wohnung.

Rabbi Mordechai ging nach Hause und dachte über die Rede nach. Und als er dann seine Frage prüfte, erkannte er, dass die Antwort in der Rede enthalten war. Ohne Zögern versammelte er seine Schüler, ging mit ihnen zu Rabbi Jaakows Herberge und bat ihn öffentlich um Verzeihung.

Anschließend fragte er: „Warum hast du meine Frage nicht zurückgewiesen?“ Rabbi Jaakow erwiderte: „Ich wusste, dass ich Recht hatte, aber ich wollte dich nicht vor der ganzen Versammlung demütigen. G–tt verhüte es, dass deine eigene Gemeinde an deiner Gelehrsamkeit zweifelt! Lieber sollen sie denken, dass ich die Antwort nicht kenne.“