Der letzte Tag von Sukkot, Schmini Atzeret (Simchat Thora), drückt besonders die Liebe G-ttes zum jüdischen Volk aus. „Atzeret“ bedeutet „Anhalt“ und „Verzögerung“. Das heißt, G-tt hält uns noch einen weiteren Tag auf um mit Ihm zu feiern, bevor wir wieder in den Alltag zurückkehren.

Der Midrasch veranschaulicht1 dies anhand eines Gleichnisses von einem König, der für seine Söhne ein siebentägiges Fest veranstaltete und sich mit ihnen erfreute. Beim Abschluss des Festes sagte er: „Eure Trennung fällt mir schwer“, und er bat seine Söhne noch einen Tag mit ihm zu verweilen und zu feiern.

Wessen Trennung

Allerdings muss man den eigentlichen Sinn dieses zusätzlichen Feiertags hinterfragen. Inwiefern hilft er den Schmerz der Trennung zu überwinden? Schließlich wird eine schmerzliche Trennung stattfinden, eben nur einen Tag danach. Besteht denn der Sinn von Schmini Atzeret darin die Trennung zwischen G-tt und uns für nur einen weiteren Tag aufzuschieben? – Sicherlich nicht! Deshalb müssen wir davon ausgehen, dass der zusätzliche Feiertag eine Trennung überhaupt nicht mehr zustande kommen lässt.

Dies wird bei näherer Betrachtung des erwähnten Midrasch verständlich. Dort heißt es: „Eure Trennung fällt mir schwer“. Es müsste doch heißen „Unsere Trennung (zwischen G-tt und uns)“. Damit will uns G-tt andeuten, dass es Seinerseits niemals eine Trennung von uns gibt. Die starke Bindung der Liebe G-ttes zu uns bleibt immer bestehen. Sollte dennoch eine Trennung zustande kommen, so ist es „Eure Trennung“ – ein Distanzieren von und Verlassen G-ttes unsererseits! Darauf sagt G-tt, dass unsere Trennung von Ihm „Ihm schwer fällt“, und G-tt bittet uns einen weiteren Festtag mit Ihm zu verbringen um unsere Trennung von Ihm zu verhindern.

Starke Einheit

Wie kommt es zu der Trennung zwischen uns und G-tt? Darauf sagt G-tt: „Eure Trennung.“ – „Durch die Trennung zwischen euch untereinander“. Wenn das jüdische Volk unter sich vereint ist, ist es auch mit G-tt vereint. Doch sollte es untereinander getrennt sein, kommt es auch zu einer Trennung von G-tt.

Zu Sukkot ist die Einheit im Volk sehr betont. Die Vier Arten symbolisieren die vier allgemeinen Typen im jüdischen Volk, welche sich zu einem Bündel vereinen um den Willen G-ttes zu erfüllen. Obwohl sie sich zu einem Bündel zusammengeschlossen haben, bleibt jeder von ihnen anders. Es sind letzten Endes vier verschiedene Typen, die zusammen gekommen sind. Nach Sukkot besteht deshalb die Befürchtung, dass, nachdem die besondere Atmosphäre der Feiertage vorübergegangen ist, diese vier Typen sich wieder voneinander trennen werden.

Alle tanzen

Darauf sagt G-tt: „Eure Trennung fällt mir schwer.“ Und um die Trennung zu verhindern, bitte Ich euch ein weiteres Fest zu machen, welches die Einheit unter euch so stärken wird, dass nichts sie erschüttern kann. Das Gebot von Schmini Atzeret ist im Gegensatz zu den anderen Feiertagen die Opferung von einem Stier und einem Hirsch – ein Opfer, eine Einheit. Das drückt aus, dass die Kinder Israels wie ein Köper eine einzige Einheit bilden, die nicht gebrochen werden kann.

Und diese Einheit findet auch bei dem Höhepunkt des Festes seinen Ausdruck, sobald sich alle Typen des Volkes um die Thora vereinen um mit ihr zu tanzen. Beim Lernen der Thora im Laufe des Jahres gibt es Unterschiede zwischen den Typen; der eine lernt mehr und der andere weniger. Doch zu Simchat Thora tanzen alle gleichermaßen mit der Thora, und man kann unmöglich zwischen dem einfachen Mann und dem großen Thoragelehrten unterscheiden. Das ist eine starke Vereinigung, welche den Monat der Feiertage abschließt. Und sie ermöglicht, dass es auch nachher im Alltag nicht zu „Eurer Trennung“ kommt!

(Likutej Sichot, Band 2, Seite 433)