Es gibt drei verschiedene Stufen der Freude zum Sukkot-Fest: Da gibt es das Gebot der Thora Freue dich an deinem Fest1, welches sich auf ganz Sukkot bezieht. Es gibt die Freude von „Simchat Bet Haschoewa“ während Sukkot, welche in der Thora nicht erwähnt wird, für die die Gelehrten2 aber in den Schriften eine Andeutung finden. Die dritte Stufe ist die Freude bei den Hakafot, dem Tanz mit der Thora, welche weder ein Gebot der Thora noch eine Anordnung der Gelehrten ist, sondern nur als ein Brauch gepflegt wird.
Zwar besteht der Brauch der Hakafot schon seit der Zeit von Mose, wie wir in einem poetischen Lied zu Simchat Thora singen: „Ich freue mich und frohlocke zu Simchat Thora – Mose freute sich zu Simchat Thora usw.“, und damit ist gemeint, dass Mose sich auf dieselbe Weise über die Thora freute, wie wir es heute auch tun; dennoch waren die Hakafot auch zur Zeit von Mose nur ein Brauch und nicht mehr.
Besonderheit des Brauchs
Eigentlich sollte der Grad der Freude von dem Grad der Verpflichtung dazu abhängen. Die Freude, die von der Thora geboten wird, sollte das größte Maß an Freude darstellen, während die Freude an den Hakafot, die nur ein Brauch sind, ein geringeres Maß an Freude mit sich bringen sollte. Tatsächlich aber spielt sich das Gegenteil ab: Die Freude zu „Simchat Bet Haschoewa“ ist größer als die von der Thora gebotene allgemeine Freude zu Sukkot, und die Freude an den Hakafot bildet überhaupt den Höhepunkt der Freude.
Die jüdische Mystik erklärt3, dass die Hakafot als Brauch keineswegs weniger wichtig sind, sondern sogar eine große Besonderheit haben. Eben deshalb sind sie „nur“ ein Brauch und keine Pflicht. Sie sind von so enormer Wichtigkeit, dass sie nicht als Gebot der Thora oder eine Anordnung unserer Gelehrten gehandhabt werden können.
Vom Volk aus
Die Gebote der Thora obliegen jedem Juden, unabhängig davon, ob er ein großer Zadik oder ein einfacher Mann ist. Das heißt also, die Gebote aus der Thora sind der Basisstufe an Heiligkeit, welche jeder Jude besitzt, angepasst. Man kann nicht von jedem Juden erwarten zu einer höheren Stufe an Heiligkeit aufzusteigen, wenn er dazu nicht in der Lage ist. Diese höheren Stufen können nicht für jedermann verpflichtend sein. Die Gebote der Thora aber befinden sich auf der Basisstufe an Heiligkeit. Anordnungen der Gelehrten, welche nicht aus der Thora sind, bilden bereits eine höhere Stufe an Heiligkeit, und die allerhöchste Stufe bilden die Bräuche, denn sie sind in keiner Weise verpflichtend.
Gebote und Anordnungen werden dem Juden auferlegt, Bräuche hingegen kommen vom Volk selbst. Beim Erfüllen von Geboten und Anordnungen drückt sich die starke Bindung von G-tt zum Juden aus. Doch beim Erfüllen von Bräuchen drückt der Jude seine tiefe Verbundenheit zu G-tt aus, mehr als durch die Gebote der Thora und die Anordnungen der Gelehrten, da sie (ohne dass er dazu verpflichtet ist) von ihm aus kommen. Deshalb ist die Freude bei den Hakafot zu Simchat Thora größer als zu Sukkot an sich, da sie ein Brauch ist und deshalb aus dem Innersten des Juden entspringt.
Dies drückt sich auch in der Lehrweisung unserer Gelehrten aus: „Lieber sind mir die Anordnungen der Weisen als die ausführlichen Gebote der Thora“.4 Die Tatsache, dass das jüdische Volk weitere Vorschriften von den Gelehrten auf sich nimmt, obwohl sie nicht (ausdrücklich) in der Thora erwähnt werden, drückt seine Zuneigung, Liebe und Freude an der Thora und ihren Traditionen aus.
(Likutej Sichot, Band 26, Seite 216)
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