In der dieswöchigen Sidra schreibt die Tora vor (Lev. 6, 6): "Ein ständiges Feuer soll auf dem Altar brennen; es soll nicht ausgehen."

Dieses ständige, immerwährende Feuer, von Menschenhand gelegt, war im Heiligtum eine Vorbereitung für das Feuer, welches vom Himmel herunterkam. Dazu bemerkt der Talmud (Joma 21b): "Obwohl das Feuer vom Himmel herunterkommt, ist der Mensch doch verpflichtet, von sich aus Feuer zu machen." – Es war die Initiative hier unten, die eine entsprechende Erwiderung G-ttes auslöste. Diese Erwiderung aber kam nur dann zustande, wenn das Feuer vollkommen, fehlerlos war.

Dies wird in dieser und der nächsten Sidra klar vor Augen geführt. Während der sieben Tage der Weihung des Heiligtums war es fertig, und seine Geräte waren fertig. Moses und Aaron waren anwesend, und Opfer wurden dargebracht. G-ttes Allgegenwart jedoch weilte nicht darauf; eine Spur der Sünde des Goldenen Kalbes war noch verblieben.

Erst am achten Tage, als das immerwährende Feuer zur Vollkommenheit gebracht war, da war auch jene Sünde ausgelöscht; und dann ging "Feuer von G-tt her aus" (Lev. 9, 24), und "G-ttes Heiligkeit zeigte sich dem ganzen Volke" (ibid., Vers 23, und s. Raschi z.St.).

Was aber war dieses Feuer vom Himmel? Warum war erst die Vollkommenheit des irdischen Feuers unerlässliche Vorbedingung dafür, dass himmlisches Feuer kam? – Die Antwort ist diese:

Der Mensch ist ein geschaffenes Wesen. Er ist begrenzt und eingeschränkt. Damit ist klar und deutlich angezeigt, dass dem, was er für sich allein erreichen kann, Grenzen gesetzt sind. Sein Tun ist zeitgebunden. Um etwas Ewiges, Beständiges zu produzieren, bedarf es des G-ttlichen Engagements. Aus eben diesem Grunde wurde während der sieben Tage der Weihung das Heiligtum täglich aufgerichtet und auch wieder abgebrochen. Als Menschenwerk konnte es nicht von Dauer sein. Am achten Tage dagegen ließ G-ttes Allgegenwart sich darauf nieder, und da wurde es beständig.

Jene sieben Tage waren eine Woche; das ist das Maß der irdischen Zeit. Der achte Tag war der Tag, der über die menschliche Zeitgrenze hinausragte; acht ist die Zahl, die auf die Ewigkeit verweist. Deshalb war dies der Tag des G-ttlichen Feuers, die Antwort des unendlichen G-ttes (s. Responsa Raschba, 1. Teil, Kap. 2).

Wenn auch der Mensch selbst nicht nach Unendlichkeit trachten kann, kommt trotzdem das Feuer der Unendlichkeit auf ihn herunter. Allerdings geschieht dies nur dann, wenn er sein eignes Feuer vollkommen gemacht hat, wenn er bis zu den äußersten Grenzen seiner spirituellen Fähigkeiten vorgedrungen ist. Der Mensch kann G-ttes Antwort erwarten – nicht wenn er sich der Teilnahmslosigkeit und der Verzweifelung ergibt, sondern wenn er bis an die Grenzposten seines eigenen Potentials vorgedrungen ist.

Dies ist dort angezeigt, wo die Tora den Ausdruck "ständig, immerwährend" als Attribut für das Feuer verwendet. Es bedeutet: immerwährend in der Unendlichkeit – denn es kennt kein zeitliches Ende. Unsere Zeit setzt sich aus genau umschriebenen Teilen zusammen, Sekunden, Minuten, Stunden. Beachtenswert ist dabei, dass selbst eine unendliche Aufeinanderfolge dieser Teile nur auf eine einzige Dimension beschränkt ist. Wenn wir aber unser zeitgebundenes Leben vervollkommnen, dann verbinden wir uns mit G-ttes Zeitlosigkeit, so dass die Zeit selbst zur Ewigkeit wird.

Denn in Wahrheit besteht der Lohn für unseren Dienst an G-tt darin, dass wir in dieser natürlichen Welt mit geistigem Gut gesegnet werden, welches über die Naturgesetze hinausreicht.